Eine Generation wendet sich vom Fernsehen ab und fühlt sich im Netz wohl. Im World Wide Web kann jeder zum Star werden, unterhalten, inspirieren, Werte vermitteln und aufklären. Auch muslimische Jugendliche sind Zielgruppe und Akteure.
Laut YouTube-Statistik werden jede Minute etwa 100 Stunden Videomaterial auf der Plattform hochgeladen. Auch muslimische Jugendliche sehen in der Videoplattform eine Möglichkeit, ihre Geschichten zu erzählen und ihre Abonnenten zu begeistern.
Die muslimische Vlogossphäre (die Web-Welt der Video-Blogger) wird größtenteils von Hijab-Tutorials dominiert. Musliminnen zeigen ihren Zuschauern, wie man sich stilvoll ein Kopftuch bindet. Diese Videos kommen bei dem weiblichen Publikum gut an. Tutorials sind nach den Musikvideos das beliebteste Genre auf Youtube. Hier und da gibt es aber auch einige YouTube-Kanäle, die islamische Inhalte mit Humor vermitteln. Der bekannteste und älteste Videokanal ist ummahfilms von Baba Ali, einem amerikanischen Konvertiten, der seit 2006 Videos macht, in denen er vor einem minimalistischen Hintergrund über aktuelle Themen performt.
Einige Vlogger (Video Blogger) konzentrieren sich nicht nur auf die Religion, sondern vor allem auf den Alltag in der amerikanischen oder europäischen Welt als Kinder orientalischer Eltern. Yousef Erakat, bekannt als FouseyTube, ist einer der erfolgreichsten muslimischen Vlogger Amerikas. Mit viel Humor und Sarkasmus stellt er die skurrilsten Szenen seines Lebens nach. Mal fliegen Pantoffel durch die Gegend, wenn seine Mutter etwas auszusetzen hat. Mal sitzen seine Eltern vor dem Fernsehen und schauen sich türkische Soaps an, während er seine Pizza isst. Yousef Erakat wird von 1,1 Millionen YouTube-Usern abonniert und hat Stareigenschaften. Er kleidet sich modisch, hat Hobbies, die dem durchschnitt amerikanischen Teenies ähneln, ist witzig und nebenbei auch noch Muslim.
Mit über 360.000 Follower ist der Kanal TrueStoryASA mit eines der bekanntesten auf YouTube. Die meist angeklickten Videos sind solche, in denen die drei Jungs ihr Muslim-Sein öffentlich zur Schau stellen und die Reaktionen der Umwelt aufzeichnen. In „Meet a Muslim Person“ stellen sie sich für Interessenten zur Verfügung, die einen Muslim treffen und mit ihm plaudern wollen. Ein anderes Video ist „Praying in Public“, in dem gezeigt wird, wie die drei jungen Männer in der Öffentlichkeit ihr Gebet verrichten. Die Idee klingt primitiv, die Reaktionen der Passanten sprechen Bände. Einige sind aufgeschlossen, andere können sich ihre rassistischen Kommentare nicht verkneifen.
In Deutschland kam die Welle der muslimischen Vlogger noch nicht richtig an. Immerhin gibt es aber zwei Jungs, die dem amerikanischen Vorbild folgen und filmen, was das Zeug hält. AmmoTube, das sind zwei junge Männer, die mit ihren kurzen Videos alltagstauglich islamische Inhalte vermitteln. So erklären sie, wie man sich in der Moschee zu verhalten hat oder wie gute Erziehung funktioniert.
Vor allem aber ist die Plattform „Vine“ eine erfolgreiche Alternative zu YouTube geworden, zu der viele Jugendliche unkompliziert Zugang haben. Um für 6 Sekunden Ruhm zu erlangen, muss man nur ein Handy mit Kamerafunktion und Internetzugang besitzen. So nehmen Tausende von muslimischen Jugendlichen Mikro-Komödien auf, in denen sie sich mit ihrer besonderen Herkunft auseinandersetzen. Die wichtigsten Themen sind die Dialoge mit Nicht-Muslimen, die mit Klischees und Vorurteilen beladen sind. Gesellschaftliche Konventionen, die für die jungen Menschen nur mit einem Kopfschütteln und hämischen Lächeln aufgenommen werden und natürlich das Elternhaus, das gerne mit nicht-muslimischen Elternhäusern verglichen und grotesk dargestellt. Nicht selten sind die schauspielerischen Leistungen der Protagonisten unter dem Durchschnitt, aber die Botschaft kommt an und ist für jedermann ein 6-Sekunden-Häppchen. Nicht gelangweilt, gut verdaut und schnell vergessen.