Der Mord an dem Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Rechtsextremismus tief getroffen. Die Experten warnen vor einer zunehmenden Gewaltbereitschaft und der Aufstachelung durch die Hetze im Netz.
Hessens Sicherheitsexperten warnen vor einer steigenden Gefährdung durch gewaltbereite Extremisten. Vor allem in der rechten Szene gebe es eine hohe Gewaltorientierung und Waffenaffinität, sagte Innenminister Peter Beuth (CDU) bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2018 am Mittwoch in Wiesbaden. Auch die zunehmende Hetze im Internet bereite den Sicherheitsbehörden Sorge, da sich gewaltbereite Extremisten davon zu Taten angestachelt fühlten. „Aus Hetze und Hass in Worten kann leicht mehr entstehen“, mahnte Beuth. ‚Das ist der Resonanzboden für die, die mehr wollen.‘
Verfassungsschutzpräsident Robert Schäfer warnte aber nicht nur vor einer zunehmenden Gewaltbereitschaft der rechten Szene. Es gebe auch zunehmend Gruppierungen wie die ‚Identitäre Bewegung‘, die mit vermeintlich gemäßigterem Auftreten versuchten, gerade auch Akademiker anzusprechen und damit die Grenzen zum Extremismus zu lockern.
Vermehrt werde auch versucht, über legal angemeldete Kampfsportveranstaltungen Menschen aus dem nicht-extremistischen Teil der Gesellschaft anzusprechen, berichtete Schäfer. Die Hemmschwelle, an diesen Veranstaltungen teilzunehmen, sei angesichts deutlich steigender Besucherzahlen offenbar gesunken. Rechtsextremistische Konzerte seien auch immer noch ein Ort für Rekrutierungen der Szene.
Trotz mehrerer Gewalttaten und Vorfälle in jüngster Zeit wie dem Mord an dem Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und den Schüssen auf einen Eritreer im osthessischen Wächtersbach hat Hessen nach Einschätzung des Verfassungsschutzpräsidenten kein besonderes Problem mit Rechtsextremisten. Im Bundesvergleich liege Hessen bei den Gewalttaten unter dem Durchschnitt. Das sei aber kein Grund, sich zurückzulehnen. Im Gegenteil habe das Landesamt sowohl personell als auch strukturell in diesem Bereich zugelegt. Über 360 Stellen zählt der Verfassungsschutz in Hessen mit den Schwerpunkten Rechtsextremismus und Islamismus.
Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten stieg von 16 auf 25 im Jahresvergleich. Überwiegend handelte es sich bei den Straftaten um Körperverletzungen, wie aus dem Verfassungsschutzbericht hervorgeht. 1475 Männer und Frauen werden der rechtsextremistischen Szene im Land zugerechnet, ein Plus von 10 Menschen im Vergleich zu 2017. Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund blieb mit 539 nahezu gleich (2017: 540).
Der Innenminister forderte im Kampf gegen gewaltbereite Extremisten erneut eine Gesetzesänderung, um ihnen den Zugang zu Waffen grundsätzlich zu verwehren. „Waffen haben in den Händen von Extremisten nichts zu suchen“, sagte Beuth. Damit der Verfassungsschutz die Waffenbehörden beim Entzug von Gewehren und Pistolen noch effektiver unterstützen kann, müssten endlich die gesetzlichen Regeln geändert werden. Bislang habe es zwar auf Bundesebene noch keine Mehrheit für die hessische Initiative gegeben. Bei der Bundesratssitzung an diesem Freitag werde er aber „um eine Mehrheit für die dringend notwendige Verschärfung des Waffengesetzes werben“.