Verfassungsschützer wollen rechtsextreme Netzwerke offenlegen. Eine Spezialeinheit verfolgt rechte Umtriebe in Chatforen und auf anderen Internet-Plattformen. Sie will auch potenzielle Attentäter aufspüren. Vor allem eines bereitet dem Verfassungsschutz Probleme.
Experten des Verfassungsschutzes wollen extremistische Bestrebungen aus Schleswig-Holstein im Netz aufspüren und Netzwerke potenzieller Gewalttäter offenlegen. „Wir müssen dieses Feld künftig stärker im Auge behalten“, sagte Schleswig-Holsteins kommissarischer Verfassungsschutz-Chef Joachim Albrecht. Die ersten von künftig rund einem Dutzend Internetermittlern seien bereits im Einsatz.
Schwerpunkt der Arbeit soll zunächst der Rechtsextremismus sein. Der Verfassungsschutz hat aber auch andere extremistische Strukturen im Visier. „Aber wir haben uns so organisiert, dass wir flexibel auf verschiedene Lagen reagieren können“, sagte Albrecht. Schleswig-Holstein baue als eines der ersten Bundesländer unabhängig von der Tat in Halle derzeit ein Team aus Spezialisten auf, das extremistische Bestrebungen im Netz aufspüren sollen. Schwerpunkt sei derzeit der Rechtsextremismus.
Das Team soll aus mindestens zwölf Spezialisten bestehen und damit rund zehn Prozent aller Mitarbeiter des Verfassungsschutzes umfassen. In den Jahren 2018 bis 2020 hat der Verfassungsschutz insgesamt 20 Planstellen zusätzlich erhalten.
Statt in Hinterzimmern vernetzen und radikalisieren sich Extremisten zusehends online. „Was wir uns als Erfolg wünschen ist, die Kommunikation innerhalb eines extremistischen Bereiches durch diese Arbeit mitverfolgen zu können – ganz gleich ob dies Einzeltäter sind oder Gruppen, die in Schleswig-Holstein aktiv sind und möglicherweise überregionale Bezüge haben“, sagte Albrecht. „Die Kommunikation erfolgt in diesem Bereich anders als vor zehn Jahren.“
Auf rund 1100 Personen schätzt der hiesige Verfassungsschutz die Zahl der Rechtsextremisten im Norden. 400 von ihnen werden als gewaltorientiert eingestuft. „In den vergangenen Jahren gab es in Schleswig-Holstein etwas weniger rechtsextremistische Aktivitäten als in anderen Bundesländern“, sagte Albrecht. Auch die Zahl rechtsextremistischer Demonstrationen sei seit Jahren gering. Dies liege auch daran, dass der NPD-Landesverband nicht mehr so schlagkräftig sei wie noch vor 15 Jahren.
„Da stellt sich die interessante Frage: Wo sind diese Personen geblieben? Kommunizieren Sie jetzt im Internet?“, so Albrecht. Von einigen Akteuren sei dies dem Verfassungsschutz bekannt. „Aber es gibt eben auch den einen oder anderen, den wir in den vergangenen Jahren nicht mehr im Fokus gehabt haben.“ Das soll sich nun ändern.
„Wir müssen in der operativen Internet Auswertung mehr machen“, sagte Albrecht. Für noch offene Stellen gibt es bereits Bewerbungen. Einstellen will seine Behörde auch einen Informatiker. Er soll helfen, mit technischen Hilfsmitteln der immensen Datenmengen Herr zu werden, die bei „Internet-Observationen“ anfallen. „Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz wird in diesem Bereich mehr machen als in der Vergangenheit.“
Die Spezialeinheit bekommt für ihre neue Arbeit im Netz von Albrecht keine Vorgaben. „Die Kollegen sollen mit Fantasie das Feld erforschen, möglicherweise auch durch Einsatz technischer Tools“, sagte er. Konkreten Hinweisen – entweder aus eigener Recherche oder durch andere Sicherheitsbehörden – werde das Team natürlich aber direkt im Netz nachgehen. „Aber daneben sollen sie selber im Internet aktiv sein.“
Die breite Öffentlichkeit wird von möglichen Erfolgen der Internetfahnder wahrscheinlich nichts mitbekommen. „Das ist unser Schicksal als Verfassungsschutz“, sagte Albrecht. (dpa/iQ)