Hinz und Kunst

„Ich möchte mit meiner Musik wirken“

„Die Kunst ist frei“. Frei von Grenzen und Debatten. Muslimische Künstler nutzen die Freiheit und zeigen deutlich: Wir gehören zu Deutschland. Heute mit Orçun Öztürk.

16
11
2019
Orçun Öztürk Musik
Orçun Öztürk Musik

IslamiQ: Kannst Du Dich vorstellen?

Orçun Öztürk: Mein Name ist Orçun Öztürk. Ich komme gebürtig aus Nürnberg und lebe seit etwa fünf Jahren in Köln. Dort studiere ich klassische Gitarre sowie Islamwissenschaften, eine Fächerkombination, die dem Interesse des Klangs und der Sprache gewidmet ist, wenn man so will: dem Ausdruck an sich.

IslamiQ: Was möchtest Du mit deiner Arbeit bewirken? 

Öztürk: Es ist nicht so einfach, diese Frage zu beantworten, denn ich kann behaupten, dass eine bewirken zu wollen, bewirke aber de facto vielleicht etwas ganz anderes. Deshalb tendiere ich wohl eher dazu, zu sagen, dass ich wirken möchte.

IslamiQ: Ist Dir Dein kultureller und/oder religiöser Background wichtig? 

Öztürk: Mein religiöser bzw. kultureller Hintergrund spielt keine Rolle. Er ist das, was ich bin, und deshalb ist er vor allem nicht hintergründig. Er ist also kein Hintergrund. Das, was sich gründet, ist zeitweilen vordergründig. Vor allem ist es aber innen gegründet, also idealerweise innerlich begründet. Wenn man das so formulieren darf ein „Innengrund“.

IslamiQ: Wie stark beeinflusst dieser „Innengrund“ Dein künstlerisches Schaffen? 

Öztürk: Sie beeinflussen sich gegenseitig. Mal stärker, mal schwächer. Manchmal weiß man von diesem Einfluss. Manchmal aber auch nicht. Ich vermute, dass das so in Ordnung ist.

IslamiQ: Studien attestieren eine steigende antimuslimische Stimmung in Deutschland. Bist Du persönlich Diskriminierungen dieser Art ausgesetzt? 

Öztürk: Es ist eine Tatsache, dass diese Form der Diskriminierung herrscht. Und jeder ist mehr oder weniger davon betroffen. Dass Menschen überhaupt davon betroffen sind, macht uns alle betroffen. Die Großen lehren uns das. So heißt es bei Sadi – in der Übersetzung von Karl Heinrich Graf:

Die Menschenkinder sind ja alle Brüder,
Aus einem Stoff wie eines Leibes Glieder,
Hat Krankheit nur ein einzig Glied erfaßt,
So bleibt den anderen weder Ruh noch Rast,
Wenn anderer Schmerz dir nicht im Herzen brennet,
verdienst du nicht, daß man noch Mensch dich nennet.

IslamiQ: Denkst Du, dass der Islam zu Deutschland gehört? Wieso? 

Öztürk: Überall wo der Islam erhört und angehört wird, oder werden kann, dort gehört er prinzipiell auch hin. Man darf zudem wohl sagen, dass er an sich niemandem gehört, sondern dass man ihm wenn überhaupt angehört. Er ist also da!

Leserkommentare

Brad Lewis sagt:
Zuerst sagt der Künstler, daß sein religiöser Hintergrund keine Rolle spielen würde. Zum Schluß betont er, daß der Islam auch in Deutschland da ist und da auch prinzipiell hingehört. Unklar bleibt, welches konkrete Islam-Verständnis er selber hat. Das Studium von Islamwissenschaften ist ihm wichtig. Religiöse Glaubensinhalte wissenschaftlich angehen - macht das Sinn? Mit der Musik wirken? Wunderbar - wenn die Koran-Befehle ausgelassen werden.
16.11.19
23:16
Tarik sagt:
Es gibt keine "Koran-Befehle" betreffend Musik. Auch ist kein Hadith überliefert, der Musik verbieten würde. Und wenn man sich die Gelehrtenmeinungen zum Thema "Musik" betrachtet, so ist es eine kleine Minderheit, die Musik als etwas zu verachtenswertes betrachteten, weil sie dies mit Unsitte, Alkohol, Orgien etc. verknüpften. Tatsächlich jedoch hat nicht nur ein Großteil der klassischen Gelehrten Musik nicht für verboten erklärt, vielmehr spielten viele von ihnen selbst Instrumente oder verfassten sogar musiktheoretische Theorien sowie Abhandlungen darüber, wie Musik bsp. therapeutisch wirken kann. Mal abgesehen davon, dass nicht wenige Instrumente gerade in der islamischen Welt entwickelt wurden, genauso wie der umherziehende Sänger, der Vorläufe des Minnesängers (a la Walther von der Vogelweide etc.). Denn "Gott ist schön, und liebt die Schönheit". Und die Tradition der islamischen Gesänge (Nasheed, Ilahis, Kasidas), die von Blas-, Saiten und Schlaginstrumenten begleitet werden, ist ebenfalls über Tausend Jahre alt.
17.11.19
21:34
Emanuel Schaub sagt:
Danke für den Beitrag .in Sonderheit für den Sadi Text resp.seine deutsche Übersetzung. JEDER der solchen Maximen folgt resp. es versucht gehört zu Deutschland ! Glücklicherweise gibt es auch Menschen ,die den Nietze Ausspruch "Ohne Musik wäre das leben ein Irrtum" beherzigen bzw.ihr Inneres nach Aussen sprich .aufnahmebereite Seelen transportiern . Übrigens hat J.S. Bach die Musik zu "Oh Haupt voll Blut und Wunden" von einem Liebeslied ... entlehnt..... Mithin spielt nicht das religiöse Einstellung eine sooo wichtige Rolle als viellmehr die menschlich/ seelische! gruß emanul
18.11.19
13:30
Ute Fabel sagt:
"Studien attestieren eine steigende antimuslimische Stimmung in Deutschland. Bist Du persönlich Diskriminierungen dieser Art ausgesetzt?" Dass die Anhänger einer Religion oder Weltanschauung auf offene Ablehnung stoßen können, ist keine Diskriminierung, sondern das Wesensmerkmal einer pluralistischen Gesellschaft. So werden AfD-Politiker wie Herr Höcke wie ich meine zu Recht von ARD- und ZDF-Fernsehredakteuren oft sehr schroff interviewt. Das ist auch keine AfD-Diskriminierung! Daher können sich auch Muslime nicht immer und überall Lobhudelei erwarten.
21.11.19
10:59