Autoren schreiben hunderte Seiten. Doch was passiert, wenn sie ihr Buch auf seine Essenz herunterbrechen müssen? Unsere Serie „Nachgefragt“ liefert Antworten. Heute Dr. Mark Terkessidis und sein Buch „Wessen Erinnerung zählt“.
IslamiQ: Wem würden Sie ihr Buch „Wessen Erinnerung zählt“ gerne schenken und warum?
Dr. Mark Terkessidis: Die Leute, denen ich es schenken wollte, denen habe ich es schon gegeben. Ansonsten freue ich mich als Autor natürlich sehr, wenn Leute es kaufen.
IslamiQ: Warum ist die Thematik Ihres Buches im Lichte aktueller Debatten wichtig?
Terkessidis: Zunächst ist es ja ganz offensichtlich, dass wir in Deutschland über Rassismus sprechen müssen. Das haben wir jahrzehntelang versäumt. Dabei ist wiederum die historische Dimension wichtig: Wann hat es angefangen, wie hat es sich entwickelt? Schließlich gehört zur Geschichte des Rassismus auch die vergessene Geschichte der deutschen Kolonialbestrebungen. Und da würde ich gerne das Feld etwas erweitern. Mittlerweile wird über die deutschen Kolonien in Afrika gesprochen – das ist ein Schritt. Aber die deutsche Expansion nach Ost- und Südosteuropa, in das damalige Osmanische Reich und darüber hinaus – die spielt in dieser Debatte keine Rolle. Aber warum eigentlich nicht? 150 Jahre waren etwa polnischsprachige Gebiete Teil Preußens oder des Deutschen Reiches. Warum nennen wir das nicht Kolonialismus?
IslamiQ: „Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor.“ Warum trifft dieses Zitat von Voltaire auf Ihr Buch zu?
Terkessidis: Ich weiß nicht, ob das auf mein Buch zutrifft. Ich bin immer schon ein politischer Autor gewesen. Ich weiß aber, dass unser Seelenleben im Westen beeinträchtigt ist, wenn anderen Menschen in unserer Umgebung Lebenschancen vorenthalten werden oder wenn sie an den Grenzen sterben, in denen unsere Seele „emporwachsen“ kann.
IslamiQ: Ihr Buch „Wessen Erinnerung zählt“ in drei Wörtern zusammengefasst?
Terkessidis: Kann ich nicht.
IslamiQ: Eine spezielle Frage für Sie: In welche Richtung geht der aktuelle Rassismus und wie können wir dem entgegenwirken?
Terkessidis: Vor allen Dingen politisch. Die Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts von 2000 zum Beispiel hat mehr für die Veränderung der Haltungen getan als alle freundlichen Appelle an freundliches Verhalten gegenüber „Ausländern“. Es geht darum, transparente Regeln für Einwanderung zu gestalten, den Aufenthaltsstatus von Personen zu festigen, Antidiskriminierungsgesetzgebung zu stärken, Organisationen im Hinblick auf die Vielheit der Gesellschaft zu verändern. Es gibt viel zu tun, es geht ja nicht nur in Sachen Ökologie um unsere Zukunft.