Mehr als 7000 Menschen haben in Hannover gegen Rechtsextremismus protestiert. Anlass war eine Kundgebung der rechtsextremen NPD.
In Hannover haben rund 7300 Menschen weitgehend friedlich gegen Rechtsextremismus sowie für die Pressefreiheit demonstriert. Die Versammlungen verliefen überwiegend ohne größere Zwischenfälle, bilanzierte die Polizei. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) reihte sich am Samstag unter die Demonstranten. Anlass war eine Kundgebung der rechtsextremistische NPD gegen kritische Journalisten, zu der sich nach Angaben der Polizei rund 120 Teilnehmer versammelten.
Am Rande des Kundgebungszugs der NPD gab es immer wieder Gerangel mit Gegendemonstranten, vier Menschen wurden vorübergehend festgenommen. Vier weitere Menschen sind leicht verletzt worden, davon zwei Polizeibeamte.
„Es ist wunderbar, dass wir alle zusammenstehen gegen die rechten Hetzer und Verfassungsfeinde“, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) auf der Kundgebung des Bündnisses „bunt statt braun“. „Wir treten heute gegen die Nazis an, nicht nur in der NPD, sondern auch in anderen Parteien“, sagte Pistorius. „Es wird eine Grenze überschritten.“ Die Gefahr sei, dass Demokratie von unten sterbe, wenn Journalisten an den Pranger gestellt und bedroht würden. Deshalb sei der Versuch richtig gewesen, die NPD-Demonstration zu unterbinden.
Die Polizeidirektion Hannover hatte die Veranstaltung unter Verweis auf eine unmittelbare Gefährdung für die öffentliche Sicherheit zunächst verboten. Die NPD legte gegen das Verbot mit Erfolg Klage ein. Das Verwaltungsgericht und in zweiter Instanz auch das Oberverwaltungsgericht hoben das Verbot auf. Ein Totalverbot der Demo sei nicht verhältnismäßig, erklärten die Gerichte ihre Entscheidung. Einem führenden NPD-Vertreter verbot die Polizei allerdings, in Hannover zu reden. Die Befürchtung war, dass er strafbare Äußerungen tätigen könnte.
Auch Hannovers neuer Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) sprach auf der Zentralkundgebung: „Wir senden eine klare Botschaft aus: Hannover ist bunt statt braun. Wir stehen an der Seite der Journalistinnen und Journalisten.“ Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus hätten in Hannover keinen Platz. „Das Wichtigste ist: Wir sind mehr.“
Lautstark und bunt war der Protest entlang der Demonstrationsroute der NPD durch die Südstadt von Hannover. Daran beteiligten sich viele Hundert junge Leute, aber auch Anwohner und ältere Menschen. „Ganz Hannover hasst die NPD“, sangen die Demonstranten im Chor, als die NPD-Unterstützer die von einem großen Polizeiaufgebot gesicherte Route abliefen.
Diskussionen – vor allem in den sozialen Netzwerken – gab es nach den Demonstrationen um den Umgang der Polizei mit vermummten Teilnehmern der NPD-Demo. In Deutschland gilt bei Demonstrationen ein Vermummungsverbot: Der Teilnehmer darf nicht sein komplettes Gesicht verstecken.
Am Samstag wurden einzelne Vermummte gesichtet. Sie hatten nach Angaben der Polizei die Kapuze ihrer Jacke über den Kopf gezogen, trugen Sonnenbrille und hatten zum Teil noch einen Schal oder ein Halstuch bis über den Mund hochgezogen. In einem Fall wurde eine Frau festgestellt, welche zudem eine Sturmhaube trug. Die angesprochenen Vermummten erklärten, sie wollten nicht ihre Identität verschleiern. „Teilnehmer gaben an, dass sie nicht auf Bildern der Medienvertreter erkennbar sein wollten“, schrieb die Polizei via Twitter. Weil aus Sicht der Polizei keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestand, schritten die Beamten nicht ein.
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Julia Willie Hamburg forderte später, den Umgang der Polizei mit der Vermummung zu thematisieren. Sie twitterte: „Es gab Überforderungs- und Fehlentscheidungen. Insbesondere Umgang mit Presse, Nicht-Einschreiten bei Nazi-Demo, der unterschiedliche Umgang beim Thema Vermummung werden Thema sein.“
Der Deutsche Presserat forderte Politik und Sicherheitskräfte auf, dem Schutzgut Pressefreiheit höchsten Rang einzuräumen und die dort Tätigen wirksam gegen Bedrohungen und Angriffe zu schützen. An die Justiz appellierte der Presserat, bei der Abwägung zwischen Grundrechten besonders sensibel zu beachten, dass die öffentliche Brandmarkung einzelner Personen in radikalen politischen Konzepten eine propagandistische Vorstufe zur Anwendung körperlicher Gewalt sein könne. Die NPD-Demonstration hatte sich gegen namentlich genannte Journalisten gerichtet, die kritisch über die rechte Szene berichten. (dpa, iQ)