Die neue Studie „Muslimische Milieus in Österreich“ am Institut für Islamische Studien Wien stellt große Unterschiede in den religiösen Überzeugungen von Muslimen in Österreich fest. Trotz der eigenen Bezeichnung als Muslime zeigt sich ein vielfältiger und oft säkulärer Umgang mit dem Islam.
Das religiöse Alltagsleben von Muslimen in Österreich ist facettenreicher und vielfältiger als oft angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine empirische Untersuchung des Instituts für Islamische Studien der Universität Wien. Im Rahmen der qualitativen Studie „Muslimische Milieus in Österreich“ wurden Interviews in mehreren österreichischen Bundesländern geführt. Diese vermitteln ein lebendiges, alltagsnahes Bild der Religiosität und der religiösen Alltagspraxis muslimischer Bevölkerungsgruppen in Österreich.
Dass es sich bei der muslimischen Bevölkerung in Österreich um eine homogene Gruppe mit durchwegs einheitlicher Glaubenspraxis handelt, erweist sich als Klischee. Vielmehr, so die Aussage der Studie, orientiert sich deren religiöse Alltagspraxis keineswegs strikt an den religiösen Pflichten des Islams, sondern weicht davon auch durchaus ab.
Was den täglichen Umgang mit Religion betrifft, konnten die Forscher rund um Ednan Aslan feststellen, dass die Spanne von einem pragmatischen Umgang mit Religion über emanzipierte und säkularisierte Haltungen bis hin zu Distanzierung und Religionskritik reicht. Auch ein Rückzug in die Religion wurde von den Forschern ausgemacht.
Projektleiter Ednan Aslan erklärt: „Die Besonderheit der vorliegenden Studie besteht darin, dass der Fokus der Untersuchung nicht – wie bisher üblich – auf islamischen Organisationen, Moscheegemeinden oder religiösen Einrichtungen liegt. Stattdessen rückt die alltägliche Glaubenspraxis jenseits islamischer Institutionen ins Blickfeld.“ Gläubige, die nicht aktiv bzw. keine Mitglieder von Moscheevereinen sind, und die Moscheen gar nicht oder nur selten aufsuchen, erfahren in der Regel nur geringe Aufmerksamkeit. Dabei stellt diese Personengruppe, so belegen andere Studien, mit ca. 80 bis 85 Prozent klar die überwiegende Mehrheit der muslimischen Bevölkerung in Österreich.
Projektmitarbeiter Jonas Kolb ergänzt: „Vor diesem Hintergrund ist die Reichweite der Studienergebnisse besonders hervorzuheben: Die identifizierten fünf Umgangsformen mit Religion und religiösen Regeln treffen nicht nur auf eine kleine Personengruppe – wie die in Moscheegemeinden und islamischen Einrichtungen organisierten Muslime – zu, sondern bilden die religiöse Alltagspraxis der überwiegenden Mehrheit der muslimischen Bevölkerung ab, die in wissenschaftlichen Studien bisher kaum Beachtung gefunden hat.“
Obwohl in Österreich mittlerweile eine halbe Million Muslime leben, existieren kaum wissenschaftliche Studien, die die Verschiedenartigkeit der Lebenswelten der muslimischen Bevölkerung und die Unterschiedlichkeit der alltäglichen religiösen Praktiken in den Mittelpunkt rücken. Diesen Missstand versucht das Forschungsprojekt ‚Muslimische Milieus in Österreich‘ zu beheben.
Die nun vorgestellten Ergebnisse sind nur ein Zwischenergebnis. Die Analyse der Diversität religiöser Alltagspraxis unter Muslimen soll, basierend auf diesen neuesten Erkenntnissen, durch zusätzliche empirische Erhebungen weiter vertieft werden und so quantifizierbare Ergebnisse liefern. Das Institut für Islamische Studien will das Forschungsprojekt 2014/2015 mit einer Buchpublikation abschließen.