Ein bisher einmaliges Projekt: Drei Frauen – eine Christin, eine Jüdin und eine Muslimin – wollen eine Drei-Religionen-Kita in Berlin bauen. Die Idee soll bald Wirklichkeit werden.
Sich trauen, einander Fragen zu stellen – das ist für Iman Andrea Reimann einer der wichtigsten Gründe für die Unterstützung des Projekts. Die Muslimin, die vor mehr als 25 Jahren zum Islam konvertierte, gehört zu den Initiatorinnen des geplanten „Drei-Religionen-Kita-Hauses“ in Berlin. Sie weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn man eine Religion zunächst von außen kennenlernt. Als Vorsitzende des Deutsches Muslimischen Zentrums Berlin koordiniert sie die muslimische Trägerseite des Vorhabens und leitet zur Zeit eine muslimische Kita in der Hauptstadt.
Vor vier Jahren entstand die bundesweit einzigartige Idee, jüdische, christliche und muslimische Kinder in einer Kita unter ein Dach zu holen – ursprünglich „der Traum“ von Rabbinerin Gesa Ederberg, wie Reimann berichtet. Ederberg, zuständig für die Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte, hat – ähnlich wie Reimann – mit Blick auf die Religion eine bewegte Geschichte: Sie war evangelisch und konvertierte vor fast 30 Jahren zum Judentum. Der von ihr gegründete Bildungsverein „Masorti“ trägt die geplante Einrichtung von jüdischer Seite.
Beide Frauen entwickelten den Gedanken weiter, holten Vorstandsfrau Kathrin Janert vom Evangelischen Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord als Dritte im Bunde mit ins Boot. Es wurde ein Ort gesucht, in Berlin-Moabit gefunden – und wieder verworfen.
Mittlerweile sind die Pläne konkreter, wie Reimann erzählt. Fest stehe nun: Die Kita darf auf dem Gelände einer evangelischen Kirchengemeinde in Berlin-Friedrichshain gebaut werden, man ist kurz vor einem Vertragsabschluss. Wenn alles unter Dach und Fach ist, werde auch der Name der Gemeinde veröffentlicht, versichert Reimann. Der zuständige Pfarrer findet das Ganze nach eigener Aussage jedenfalls „innovativ und herausfordernd“. Voraussichtlicher Baustart auf dem Gelände: Januar 2021.
Ein Projekt, das auch beim Beauftragten der Bundesregierung für Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), auf große Zustimmung trifft. „Ich kann mir kaum etwas Besseres zur Vorbeugung von Vorurteilen vorstellen“, sagt der Katholik, der sich aus erster Hand über den Planungsstand informierte. Gemeinsam sollten die Kinder dieser Kita andere Religionen und deren Feiertage und Riten kennenlernen, trotzdem aber „beheimatet in ihrer Religion“ bleiben. Grübel sagt: „Hoffentlich regt es zur Nachahmung an.“
Bis zu fünf Millionen Euro soll das Ganze kosten, für zehn Prozent der Kosten müssen die drei Träger selbst aufkommen. Sie versuchen, dies über Spenden und ihre Verbände zu stemmen. Der Rest soll über das Kita-Ausbauprogramm des Landes Berlin finanziert werden, so der Plan. Das vorgesehene Gebäude umfasst vier Stockwerke, je eines für die Kitas der drei Religionsgemeinschaften, die, ganz gerecht, jeweils 35 Plätze anbieten – „Dialog auf Augenhöhe eben“, sagt Protestantin Janert. Im vierten soll Platz für „Räume der Begegnung“ sein. Die drei Kitas werden sich auch das Außengelände sowie die Küche teilen. „Damit alle mitessen können, ist das Essen koscher“, sagt Reimann. Klar ist auch, dass das Haus wie alle jüdischen Einrichtungen wegen der Gefahr von Anschlägen besonders gesichert werden muss.
Ob Jom Kippur, Sankt Martin oder Opferfest: Im Kita-Alltag sollen die Kinder sich gegenseitig zu ihren Festen einladen, diese den Andersgläubigen erklären. Dass „wir viele Sprachen sprechen – und in verschiedenen Sprachen und Traditionen auch zu Gott sprechen“, könne man den Kindern gar nicht früh genug vermitteln, findet Rabbinerin Ederberg, selbst dreifache Mutter. „Zusammen Aufwachsen ist möglich und notwendig in unserer bunten Stadt.“
Bunt solle auch die Kita sein, betont Muslimin Reimann, offen für alle Arten von Familien, auch für gleichgeschlechtliche Eltern und für nichtreligiöse Familien. „Wir gehen aber davon aus, dass es eher ein Angebot für Familien ist, die in ihrer Religion zu Hause sind, aber die religiöse Vielfalt erleben wollen“, sagt Protestantin Janert. Also nicht unbedingt für Menschen, denen es hauptsächlich um den wohnortnahen Kitaplatz geht, sondern für solche, die auch bereit sind, eine längere Anfahrt in Kauf zu nehmen. Dass sie Probleme haben werden, die Kita voll zu bekommen, glauben die Frauen nicht: Bewerbungen für die Plätze gibt es schon jetzt. (KNA, iQ)