Kindesmissbrauch?

Londons Bürgermeister will „radikalen” Muslimen Kinder wegnehmen

Londons Bürgermeister Boris Johnson will „radikalen“ Muslimen die Kinder wegnehmen. Der Radikalisierungsexperte Shiraz Maher übt scharfe Kritik am Vorstoß. Johnson denke an der Sache vorbei.

04
03
2014
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Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson sorgt mit einem neuen Vorstoß für Unmut. In seiner wöchentlichen Kolumne in der britischen Zeitung Daily Telegraph erklärte Johnson am Montag, muslimische Kinder, die der Gefahr von „Radikalisierung“ durch ihre Eltern ausgesetzt seien, seien Opfer von Kindesmissbrauch. Er rief dazu auf, Kinder, die der Extremismusgefahr ausgesetzt seien, von ihren Eltern wegzunehmen, damit diese nicht zu „potenziellen Killern und Selbstmordattentätern“ würden.

Scharfe Kritik kam von Vertretern der muslimischen Organisationen. Diese warfen in ersten Kommentaren Johnson vor, er schüre eine Anti-Islam-Stimmung im Land. Auch Experten wie Shiraz Maher übten scharfe Kritik an dem Vorstoß. Maher schrieb in der britischen Zeitung The Guardian, dass Johnson an der Sache vorbei denke. Der Experte für Radikalisierung erklärte, dass die Erfahrung in der Präventionsarbeit zeige, dass gerade Familien im Kampf gegen Radikalisierung die beste Impfung seien. Sie hielten Jugendliche davon ab, ihr Leben wegzuwerfen. Selbst bei mutmaßlich „radikalen“ Elternhäusern sei dies sehr gut zu beobachten.

Maher: Eltern von Syrienkämpfern wussten nichts

Diejenigen, die sich radikalisierten, kämen oft typischerweise aus einem areligiösen Umfeld. In vielen Fällen hätten sie Kontakte zu Gangs, zur Kriminalität und andere Formen von ähnlichen gruppenbezogenen Aktivitäten. Dies sei auch, weil es ein Profil für leichten Zugang liefere, interessant für Terroranwerber. Die Ausführungen von Johnson seien daher nicht folgerichtig.

Zwar verstehe der Radikalisierungs-Experte Shiraz Maher, was den Bürgermeister vermutlich sorgt, doch in einer eigenen aktuellen Forschungsarbeit hätte man herausgestellt, dass die meisten Syrienkämpfer der jüngsten Zeit, in einer hingebungsvollen Familie aufgewachsen sind. Die Eltern dieser jungen Männer, die in den Krieg nach Syrien zogen, wussten nichts von den Plänen.

Maher machte darauf aufmerksam, dass die Eltern von radikalisierten Jugendlichen meist die Letzten sind, die dies mitbekommen. Diese Erkenntnis sei nicht sofort verständlich, werde aber klarer, wenn man sich die Hintergründe und den Zusammenhang der Radikalisierung genauer betrachte.

Politische Korrektheit?

Ganz in rechtspopulistischer Manier hatte Johnson in seiner Kolumne die angebliche „politische Korrektheit“ in Großbritannien angeprangert. Diese verhindere, dass man den „schrecklichen Virus“ des „islamischen Extremismus“ bekämpfen und vor der Ausbreitung hindern könne. Es gebe zudem einen Bedarf, „stärker und klarer das eigene Verständnis von Britischen Werten“ zu verteidigen, so Johnson. Einigen Kindern würden von der Wiege auf „verrückte Dinge“ erzählt.