Gewalt gegen Frauen

Jede Dritte Frau in Deutschland Opfer von Gewalt

Zuhause, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit und im Internet. Frauen in Deutschland und in Europa erfahren Gewalt. Ein Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) zeigt das Ausmaß dieser Gewalt. Muslime sind ebenfalls gefordert.

05
03
2014

Es ist an der Zeit, dass politische Entscheidungsträger gegen die weitverbreitete Gewalt gegen Frauen handeln. Dabei müssen auch die Bedürfnisse und Rechte der Gewaltopfer nicht nur auf dem Papier, sondern in der Praxis umgesetzt werden. Das ist die Kernforderung des neuen für Deutschland und ganz Europa repräsentativen Berichts der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA). Der Bericht bestätigt, dass Gewalt gegen erwachsene Frauen in Deutschland und Europa weit verbreitet ist. Es schildert aber auch körperliche und sexuelle Gewalt, die Frauen in der Kindheit erfahren.

„Die Ergebnisse dieser Erhebung können und dürfen nicht ignoriert werden“, betonte der FRA-Direktor, Morten Kjaerum: „Körperliche, sexuelle und psychische Gewalt gegen Frauen ist eine gravierende Menschenrechtsverletzung, die in allen EU-Mitgliedstaaten anzutreffen ist.“ Das enorme Ausmaß des Problems verdeutliche, dass Gewalt gegen Frauen nicht nur einige wenige betreffe, sondern sich tagtäglich auf die gesamte Gesellschaft auswirke.

„Politiker und Politikerinnen, Interessensvertreter und Interessensvertreterinnen der Zivilgesellschaft sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Hilfseinrichtungen müssen deshalb gemeinsam ihre bisherigen Maßnahmen einer kritischen Prüfung unterziehen, um das Problem der Gewalt gegen Frauen in jedem Bereich der Gesellschaft anzugehen. Die Zeit ist reif, eine breit angelegte Strategie zur wirksamen Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auf den Weg zu bringen“, sagte Kjaerum.

Jede dritte Frau Opfer von Gewalt

Die Erhebung befragte Frauen zu ihren Erfahrungen mit körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt, einschließlich häuslicher Gewalt. Thema der Befragung waren auch Stalking, sexuelle Belästigung und die Rolle, die neue Technologien bei Missbrauchserfahrungen spielen. Die Erhebung enthielt auch Fragen zu Gewalterfahrungen der Frauen in ihrer Kindheit.

33 % der Frauen haben seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. Dies entspricht etwa 62 Millionen Frauen in Europa. Jede dritte Frau in Deutschland ist Opfer von Gewalt. 22 % der Frauen haben körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft erlebt und eine von 20 Frauen (5 %) ist seit ihrem 15. Lebensjahr vergewaltigt worden. Fast jede zehnte Frau, die sexuelle Gewalt außerhalb der Partnerschaft erfahren hat, gab an, dass mehrere Täter an dem schwerwiegendsten Vorfall beteiligt waren.

Die weiteren Statistiken sind erschreckend. Und die FRA betont: Die Zahlen, die den Behörden vorliegen, sind oft falsch, weil die Mehrzahl von Gewaltakten gar nicht erst gemeldet werden. Die in dem Bericht dargestellten Erhebungsergebnisse ließen zudem keinen Zweifel daran, dass ein breites Spektrum unterschiedlicher Gruppen, wie etwa Arbeitgeber, medizinisches Fachpersonal und Internet-Provider, Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen treffen müssen.

Für die repräsentative Erhebung wurden über 42 000 Frauen in den 28 EU-Mitgliedstaaten befragt. Die Nettostichprobengröße umfasste 1 500 Befragte je Land. Die Befragten waren zum Zeitpunkt der Interviews zwischen 18 und 74 Jahre alt. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) bietet Entscheidungsträgern auf EU und nationaler Ebene faktengestützte Grundrechtsberatung an und trägt so dazu bei, dass im Bereich der Grundrechte eine fundiertere Debatte geführt und gezieltere politische Maßnahmen getroffen werden können.

Vorschläge für Maßnahmen

Die EU-Mitgliedstaaten sollten, laut FRA, das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, ratifizieren. Die EU-Mitgliedstaaten sollten Gewalt in der Partnerschaft als gesellschaftliches und nicht als privates Problem anerkennen. Vergewaltigung in der Ehe sollte in der Gesetzgebung aller EU-Mitgliedstaaten der Vergewaltigung in allen anderen Fällen gleichgestellt, und häusliche Gewalt sollte mit Nachdruck geahndet werden.

Die EU-Mitgliedstaaten sollten den Anwendungsbereich ihrer rechtlichen und politischen Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung überprüfen. Diese müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass sexuelle Belästigung überall auftritt und über unterschiedliche Medien, etwa das Internet oder Mobiltelefone, erfolgen kann.

Polizisten, medizinisches Fachpersonal, Arbeitgeber sowie Mitarbeiter von Opferhilfe-Einrichtungen müssten geschult und mit den notwendigen Mitteln und Befugnissen ausgestattet werden, damit sie die Gewaltopfer unterstützen können.

Auch Muslime sind gefordert

Das Problem lässt sich laut FRA nicht allein durch Behörden oder die Politik allein lösen. Alle gesellschaftlichen Gruppen und jeder Einzelne muss über die Thematik aufgeklärt und entsprechend sensibilisiert werden. So kommt auch den muslimischen Zivilgesellschaften hierbei eine wichtige Rolle zu.

Frühere Untersuchungen und Studien zeigten zwar keine signifikanten Unterschiede in der Gewalt gegen Frauen – egal ob muslimisch oder nicht. Allerdings zeigten qualitative Untersuchungen, dass Frauen aus bestimmten Kulturkreisen, die den muslimischen zugeordnet werden können, oft stärker von Gewalt in der Ehe betroffen waren.

In der Praxis kooperieren bereits heute muslimische Gemeinschaften und Gemeinden bei Projekten gegen Gewalt an Frauen. Unter anderem werden Projekte mit Frauenhäusern für Beratungen und Unterstützungen durch die muslimischen Organisationen und Gemeinden vor Ort initiiert. Oftmals sind Imame zudem Ansprechpartner in den Gemeinden. Auch diese werden mittlerweile gezielt für solche Fälle geschult.

In Zukunft dürfte das Thema zudem weiter in den Fokus rücken. Muslimische Organisationen binden Frauen immer stärker und häufiger in die Gemeindearbeit ein. Fakultäten für Islamische Theologie und Kurse für Seelsorgerinnen und Seelsorger bekommen immer mehr Zulauf. Es ist davon auszugehen, dass das Thema zunehmend auf die Agenda gesetzt wird. Erste muslimische Organisationen setzen sich bereits mit dem Thema auf der Leitungsebene auseinander.

Auch aus religiöser Sicht wird immer wieder hervorgehoben, dass der Prophet Muhammad als Vorbild die Gewalt gegen Frauen abgelehnt und seine Gemeinschaft auf die Rechte von Frauen ausdrücklich hingewiesen hat.

Leserkommentare

Charley sagt:
Den frömmelnden Schlusssatz hättet ihr euch sparen können. - Wenn schon so schlimm in Europa, wie schlimm dann in moslemischen Ländern!!! - Imane einsetzen, die womöglich noch "klammheimlich" die Scharia für das eigentliche Ideal halten, wäre womöglich "den Bock zum Gärtner machen". - Wo sind auf Islamiq Interviews mit moslemischen Frauen, die in Frauenhäuser flüchten mussten??
12.03.16
15:42