Sachverständigenrat

Fakten: Einwanderung und Wandel in Deutschland

In der aktuellen Debatte um Einwanderung möchte der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration mit Fakten zur Versachlichung beitragen.

06
02
2020
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60 Jahre Anwerbeabkommen - "Gastarbeiter" berichten © Shutterstock, bearbeitet by iQ.
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Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration hat die wichtigsten Informationen und Zahlen zu Einwanderung, Arbeitsmigration, Flucht und Asyl sowie zu Muslimen in Deutschland in einem Faktenpapier zusammengetragen. Dabei wird die aktuelle Situation in Deutschland, neue Zuwanderer sowie Qualifikationen und Erwerbstätigkeiten der Zuwanderer dargestellt.

2018 verfügte 25,5% der deutschen Bevölkerung über einen Migrationshintergrund. Davon besitzt rund die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit. Die größte Personengruppe mit Migrationshintergrund stammt aus der Türkei (2,8 Millionen). Sie macht 3,4 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, gefolgt von 2,3 Millionen Personen mit polnischen Wurzeln.

In den drei Stadtstaaten sowie in Hessen und Baden-Württemberg ist der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund besonders hoch. In Bremen liegt der Anteil mit 35,1 Prozent am höchsten.

Demographischer Wandel

Menschen mit Migrationshintergrund sind mit durchschnittlich 35,5 Jahren deutlich jünger als Menschen ohne Migrationshintergrund (durchschnittlich 47,4 Jahre). Betrachtet man die Bevölkerung nach Altersgruppen, zeigt sich, dass unter Kindern und Jugendlichen besonders viele eine Zuwanderungsgeschichte haben (39,7 Prozent der unter 16-Jährigen), während der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund bei den Seniorinnen und Senioren (über 64 Jahre) lediglich bei 11,5 Prozent liegt.

Der Anteil der Personen im Haupterwerbsalter (25 bis 65 Jahre) wird auf knapp 50 Prozent schrumpfen, oder anders ausgedrückt: Die Hälfte der Gesamtbevölkerung wird 2050 keine Sozialbeiträge leisten.

Seit den 90er Jahren steigt die Zahl der Kinderanzahl pro Frau in Deutschland wieder leicht an. Während damals die Zahl bei 1,3 Kindern pro Frau lag, lag er im Jahr 2018 bei 1,6.

Keine exakten Werte zu Muslimen in Deutschland

Die islamische Religionszugehörigkeit wird im Gegensatz zur christlichen nicht zentral erfasst. So ist eine exakte Angabe, wie viele Muslime in Deutschland leben, nicht möglich. Die aktuellste und verlässlichste Statistik über die Anzahl der in Deutschland lebenden Musliminnen und Muslime ist eine Hochrechnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von 2015.

Demnach lebten zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland, was einem Bevölkerungsanteil von 5,4 bis 5,7 Prozent entsprach. Deutschstämmige Konvertiten sind in dieser Hochrechnung nicht enthalten. Im Vergleich dazu gab es 2018 rund 23 Millionen Katholiken und 21,1 Millionen Protestanten in Deutschland.

Im Mikrozensus wird seit 2009 die Religionszugehörigkeit abgefragt, allerdings ist die Angabe freiwillig. Daher ist es keine zuverlässige Quelle zur Datenangabe.

Deutschland bleibt ein Land der Einwanderung

Mit Ausnahme der Jahre des erhöhten Flüchtlingszuzugs stellten EU-Bürger 2018 mit 57% stets mehr als die Hälfte aller Neuzuwanderer dar. Rund 43 Prozent der ausländischen neu Zugewanderten waren Drittstaatsangehörige.

Das Statistische Bundesamt zählte 2018 1,59 Millionen Menschen, die nach Deutschland gezogen sind. Im gleichen Zeitraum sind fast 1,19 Millionen Menschen aus Deutschland fortgezogen. Damit verbleibt ein sogenanntes Wanderungsüberschuss von rund 400.000 Personen in Deutschland. Betrachtet man nur ausländische Staatsangehörige, beträgt der Überschuss sogar 460.000.

Das bedeutet, dass mehr Menschen nach Deutschland ziehen, als Menschen Deutschland verlassen: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Dies zeigt sich in der Statistik schon seit 1957.

Das Land mit den meisten Zuzügen ist seit 2016 Rumänien. Über 250.000 Rumäninnen und Rumänen sind 2018 nach Deutschland zugezogen. Auch beim Wanderungsüberschuss liegt das Land mit 68.000 Personen vorn, gefolgt von Syrien mit gut 34.000 Personen. Fünf der zehn wichtigsten Herkunftsländer von Zuwanderinnen und Zuwanderern sind EU-Staaten.

Einwanderung wegen Familie und Arbeit

Laut Mikrozensus kamen Personen aus dem EU-Ausland, die bereits in Deutschland leben, vor allem aus familiären Gründen und zum Arbeiten nach Deutschland. Die Hauptgründe von Zuwanderungen 2018 aus Nicht-EU-Bürgern sind der Reiher nach Asyl (130.000), Familienzusammenführung (97.000), Erwerbstätigkeit (61.000 )sowie Schule, Studium und Ausbildung (58.000).

Auch wenn der Zweck des Aufenthalts von EU-Bürgern nicht zentral erfasst wird, zieht die gute Arbeitsmarktlage in Deutschland viele Arbeitskräfte aus den EU-Staaten an.

Qualifikationen von Neuzuwanderern

Im vergleich beruflicher Qualifikationen von Neuzuwanderern und der Gesamtbevölkerung 2014 verfügen Neuzuwanderer deutlich häufiger über einen akademischen Abschluss (37%). Der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung betrug hingegen 21%.

Gleichzeitig hatten Neuzuwanderer deutlich seltener eine abgeschlossene Berufsausbildung (27 gegenüber 68 Prozent) und ein Drittel keinen berufsqualifizierenden Abschluss (Bevölkerungsdurchschnitt: 9 Prozent). Das Bildungsniveau der zwischen 2013 und Januar 2016 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge ist deutlich niedriger. Die Unterschiede zur Gesamtbevölkerung in Deutschland bestehen u. a., weil in den Herkunftsländern kein vergleichbares Ausbildungssystem existiert und viele Berufe ohne formale Ausbildung ausgeübt werden.

Wandel durch ausländische Arbeitskräfte kompensieren

Aufgrund des demographischen Wandels benötigt Deutschland weitere Arbeitskräfte, um seinen Bedarf an Fachkräften zu decken. Spätestens in etwa zehn Jahren werde ein akuter Mangel an nachkommenden Arbeitskräften flächendeckend sichtbar werden. Die Gewinnung von ausländischen Fachkräften kann diesen Mangel abschwächen.

Die bestehenden Gesetze für die Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt wurden deshalb in den letzten Jahren deutlich liberalisiert. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz tritt am 1. März 2020 in Kraft. Damit reicht eine den deutschen Standards entsprechende berufliche Ausbildung aus, um nach Deutschland zu kommen und eine Stelle anzutreten oder für ein halbes Jahr einen Arbeitsplatz zu suchen. Drittstaatsangehörigen unter 25 Jahren wird zudem die Möglichkeit eröffnet, für sechs Monate nach Deutschland zu kommen, um einen Ausbildungsplatz zu suchen. Für eine anschließende Aufenthaltsgenehmigung müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden: ein entsprechender Bildungshintergrund, gute deutsche Sprachkenntnisse (B2) und ein gesicherter Lebensunterhalt.