Gülen-Bewegung

Offen für Überprüfung der Verfassungstreue

Nach kritischen Medienberichten steht die Gülen-Bewegung im Fokus der Öffentlichkeit und der Sicherheitsbehörden. In einem Brief an den nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD) signalisiert die Bewegung nun Kooperationsbereitschaft für eine Überprüfung der Organisation in Bezug auf ihre Verfassungstreue.

09
03
2014
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Das Image der Gülen-Bewegung in Deutschland ist angekratzt. In aktuellen Medienberichten wurde die Verfassungstreue der Gülen-Anhänger wiederholt in Zweifel gezogen. Vorwürfe über angeblichen Druck und Verfolgung auf Anhänger sowie „islamistische“ Bestrebungen der Gülen-Bewegung in Deutschland wurden laut. Bekannte Politiker und Befürworter der Bewegung legten im Zuge der Medienberichte ihre Arbeiten in Kuratorien und anderen Gremien von Bildungseinrichtungen nieder.

Jetzt hat die Gülen-Bewegung Kooperationsbereitschaft bei der Überprüfung ihrer Verfassungstreue signalisiert. Die Stiftung Dialog und Bildung bekundet in einem Schreiben an den nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD) den Willen, „Transparenz zu schaffen und Vorbehalte auszuräumen“. Die Stiftung versteht sich in Deutschland als Ansprechpartner der Gülen-Bewegung, die sich den Ideen des Predigers Fethullah Gülen verpflichtet fühlt. Dessen Anhänger träten für „demokratische Werte wie Toleranz, Meinungs- und Religionsfreiheit sowie die Gleichberechtigung von Frau und Mann“ ein, so der Stiftungs-Vorsitzende Ercan Karakoyun.

Bisher nicht verfassungsfeindlich

Durch die Medienberichte waren an der Verfassungstreue der Gülen-Bewegung, die laut Stiftung bundesweit 25 Schulen, 150 Nachhilfeinstitute und 15 Dialogvereine betreibt, bei einigen Innenministern Zweifel laut geworden. Daraufhin hatte Jäger, der zugleich Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK) ist, eine „einheitliche Linie“ der Verfassungsschutzbehörden verlangt. Zugleich trat er dafür ein, „die aktuelle Bewertung“ des Netzwerkes „gründlich und ergebnisoffen“ zu überprüfen. Bisher werden die religiösen und sozialen Aktivitäten der Gülen-Bewegung als nicht verfassungsfeindlich eingestuft.

Die Stiftung Dialog und Bildung hatte Mutmaßungen über verfassungswidrige Aktivitäten der Bewegung energisch zurückgewiesen. „Unser Engagement fußt auf Werten, die mit der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland im Einklang stehen“, wurde erklärt. In Schulen und Internaten der Bewegung würden Meinungs- und Religionsfreiheit, Toleranz, Gewaltfreiheit und Gleichberechtigung von Mann und Frau „gelebt und gelehrt“. Die interkulturellen Vereine der Bewegung suchten die Zusammenarbeit mit Christen, Juden und anderen Partnern.

Einladung zum Gespräch

Karakoyun erklärte zudem auf Anfrage, dass er Jäger zu einem Gespräch eingeladen habe. „Natürlich hat eine demokratische Gesellschaft das Recht, sich Organisationen, die sie noch nicht so gut kennt, anzuschauen“, so der Stiftungs-Vorsitzende. Ein Ziel der Bewegung sei es, bildungsferne Schichten zu erreichen, erklärte Karakoyun. „Wir wollen den Benachteiligten bessere Zugänge zu Bildung ermöglichen.“ Zudem setzten sich die Gülen-Anhänger für den Dialog verschiedener Ethnien und Religionen ein. Auch unter Muslimen sei die Bewegung umstritten, so Karakoyun. „Uns wird vorgeworfen, ihr seid Demokraten, ihr setzt euch mit Ungläubigen an einen Tisch und sucht den Dialog mit den Kirchen.“

Zuletzt hatte der baden-württembergische Verfassungsschutz geprüft, ob es ausreichende Hinweise für eine Beobachtung der Gülen-Bewegung gibt. Dabei fand die Behörde nach eigenen Angaben keine Anhaltspunkte für Versuche, die Demokratie in Deutschland zu beseitigen. Als problematisch beurteilte der Verfassungsschutz aber die Haltung zu Religionsfreiheit und Gleichberechtigung.

Die Bewegung ist in etwa 140 Ländern aktiv und zählt schätzungsweise acht Millionen Anhänger. Ihr wird in der Türkei erheblicher Einfluss in Justiz und Polizei nachgesagt. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan wirft dem im US-amerikanischen Exil lebenden Gülen vor, einen „Staat im Staat“ bilden zu wollen. (KNA/iQ)