Hanau

Nach Anschlag: „Wir lassen uns nicht spalten!“

Schmerz und Trauer sitzen nach dem Anschlag in Hanau tief. Am Sonntag demonstrieren 10.000 Menschen gegen die steigende Islamfeindlichkeit.

23
02
2020
Nach Hanau: Tausende demonstrieren gegen Islamfeindlichkeit
Nach Hanau: Tausende demonstrieren gegen Islamfeindlichkeit

Mehrere tausend Menschen haben am Sonntag in Hanau der Opfer des rechtsterroristischen Anschlags gedacht. „Wichtig ist für uns, Flagge zu zeigen. Gegen Terror, Fremdenfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus“, sagte Mitorganisator Teyfik Özcan. „Unsere Botschaft lautet: Wir sind Deutschland. Wir gehören zusammen.“

Nach ersten Schätzungen liefen um die 10.000 Menschen vom Tatort Kurt-Schumacher-Platz zum Marktplatz in der Innenstadt. Einige hielten Schilder hoch mit Aufschriften wie: „Gemeinsam gegen Terror und antimuslimischen Rassismus“ Auch Fotos der getöteten Opfer waren zu sehen. Organisiert wurde der Trauerzug von von Moscheegemeinden in Hanau.

Nach dem March durch die Innenstadt fand am Marktplatz eine Kundgebung statt, wo unter anderem der türkische Botschafter Ali Kemal Aydın, Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) sowie Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften sprechen wollten.

„Wir lassen uns nicht spalten!“

Muslime und Nichtmuslime durchlaufen nach dem Anschlag eine traurige Zeit . „Wir trauern um Fatih, Mercedes, Vili, Kalojan, Hamza, Gökhan, Sedat, Said und Ferhat. Sie wurden in noch jungen Jahren Opfer von Hass! Hass auf Menschen mit Migrationshintergrund, Hass auf den Islam“, erklärte Macit Bozkurt, Imam der IGMG-Gemeinde, in seiner Rede. Der Anschlag hier in Hanau reihe sich ein in eine Kette von Anschlägen wie in Hoyerswerda, Mölln, Solingen oder auch die Ermordung von Marwa El-Sherbini, dem Anstieg von Anschlägen und Bombendrohungen gegenüber Moscheen und den Anschlägen auf die Synagoge und dem Dönerladen in Halle.

Diese Atmosphäre sei nicht von sich aus entstanden. Seit Jahren beobachten und berichten Muslime, wie schwer sie es derzeit haben. All diese Warnungen wurden entweder ignoriert oder nicht ernst genug genommen oder als Opferrhetorik abgetan. „Hören Sie uns zu! Hören Sie den Opfern zu. Nicht nur den getöteten, sondern auch solchen, die tagtäglich Anfeindungen ausgesetzt sind. Nehmen Sie sie ernst. Geben Sie ihnen das Gefühl, dass sie ernstgenommen werden“, forderte Bozkurt von der Politik und den Medien. Zum Ende seiner Rede appellierte er noch an die Gesellschaft: „Wir lassen uns nicht einschüchtern, wir werden enger zusammenstehen, als zuvor: Wir Muslime, Christen, Juden, Atheisten, egal welcher Religion oder Anschauung wir uns zählen. Wir sind eine Gesellschaft und lassen uns nicht spalten“, so Bozkurt abschließend.

Nach Anschlag in Hanau – 10 Tote

In der Nacht zum Donnerstag hatte nach Ermittlungen der Polizei ein 43 Jahre alter Deutscher in Hanau neun Menschen mit einem Migrationshintergrund erschossen. Der Schütze soll auch seine 72 Jahre alte Mutter und dann sich selbst getötet haben. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der mutmaßliche Täter eine rassistische Gesinnung.

Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) sprach in Köln von einem „schwarzen Tag“. Die Tatorte und ein Bekennerschreiben zeigten, „dass der Terror eine bestimmte Zielgruppe hatte, nämlich Migranten, insbesondere Muslime“, so KRM-Sprecher Dr. Zekeriya Altuğ. Vor diesem rechten Terror habe der KRM seit Wochen und Monaten gemahnt und gefordert, gegen die rechte Hetze und gegen Islamfeindlichkeit deutlich Stellung zu beziehen.

Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Gewalttat von Hanau als rechtsterroristischen Terroranschlag bezeichnet. „Die Tat in Hanau ist eindeutig ein rassistisch motivierter Terroranschlag“, sagte er am Freitag in Berlin. Es sei der „dritte rechtsterroristische Anschlag“ in wenigen Monaten. Wegen möglicher Nachahmungstäter, Wut und Emotionalisierung habe er mit den Innenministern der Länder ein konkretes Vorgehen zum Schutz der Bevölkerung abgestimmt. „Wir werden die Polizeipräsenz in ganz Deutschland erhöhen. Wir werden sensible Einrichtungen verstärkt überwachen, insbesondere auch Moscheen.“ Seehofer kündigte an, dass die Bundespolizei die Länder mit Personal und Sachausstattung unterstützt werde. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Der Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit ist sehr wichtig, "antimuslimischer Rassismus" ist hingegen ein Propagandabegriff, der dem Islam vor gebotener Kritik abschirmen soll. Der Islam ist nämlich keine Ethnie, sondern eine Gesinnungsgemeinschaft. Daher kann es keinen "antimuslimischen Rassismus" geben. Auch ein "antimarxistischer Rassismus" oder "Rassismus gegenüber den Angehörigen der Scientology-Kirche" oder ein "Anti-AfD-Rassismus" ist nicht möglich. Muslime sollten sich nicht nur einem einseitigen Opfermythos hingeben, sondern sich auch selbstkritisch mit den "Freundlichkeiten" auseinandersetzen, die der Koran für "Ungläubige" vorsieht: Sure 4-56: „Wer da Unsere Zeichen verleugnet, den werden Wir im Feuer brennen lassen. Sooft ihre Haut gar ist, geben Wir ihnen eine andere Haut, damit sie die Strafe schmecken.“ Sure 22-19ff: „Für die Ungläubigen sind Kleider aus Feuer geschnitten, gegossen wird siedendes Wasser über ihre Häupter, das ihre Eingeweide und ihre Haut schmilzt, und eiserne Keulen sind für sie bestimmt.“
24.02.20
12:50
Johannes Disch sagt:
Es geht nicht nur um Islamfeindlichkeit. Es geht um eine Ablehnung der pluralistischen Gesellschaft. Die Völkisch-Nationalen wollen niemanden mehr, der anders ist. Keine Muslime, keine Flüchtlinge, keine Homosexuellen, keine Feministinnen, etc. Die wollen unter sich bleiben. Pur "biodeutsch." Es wäre verkürzt, das auf Islamfeindlichkeit zu reduzieren.
24.02.20
20:23
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (24.02.2020, 12:50) -- Betrifft: Rassismus -- "Der Islam ist nämlich keine Ethnie...Daher kann es keinen "antimuslimischen Rassismus" geben." (Ute Fabel) Keine Ahnung, wie ich oft ich schon erläutert habe, warum so eine Aussage unsinnig ist. Und trotzdem kommt diese Aussage gebetsmühlenartig immer wieder. Entweder Sie lesen nicht, was man schreibt oder es ist Ihnen wurscht und sie wiederholen einfach immer wieder nur gebetsmühlenartig ihre Meinung, auch wenn sie schon unzählig oft als falsch widerlegt wurde. Eine seriöse Diskussion und Erkenntnisinteresse-- Interesse, seinen Standpunkt zu korrigieren und etwas dazu zu lernen-- sind da nicht zu erkennen. Okay, once again: Es gibt keine menschlichen "Rassen" und es geht bei Rassismus auch nicht um "Rassen", sondern um Diskriminierung und Ausgrenzung. Bestimmten Menschen (bsp. Homosexuellen) und Kollektiven (bsp. Muslimen) sollen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung wegen elementare Rechte verweigert werden. DARUM geht es bei Rassismus! Und es ist offensichtlich, dass es in unserer Gesellschaft längst Kräfte gibt, die Muslimen aufgrund ihrer Religion diese Rechte verweigern wollen und sich damit rassistisch und islamfeindlich verhalten. Hier geht es auch nicht um eine Meinung, sondern um TATSACHEN! Rassismus ist in den Sozialwissenschaften längst ein empirisch bewährtes Konzept ("bsp. "Vorurteilsforschung") Die international renommiertesten Rassismus-Forscher (und deren Konzepte und Definitionen) sind der Tunesier Albert Memmi, der Amerikaner George M. Frederickson und der Deutsche Wolfgang Benz. Man kann die Namen Googlen und sich beispielsweise bei "Wikipedia" einen guten ersten Überblick verschaffen. Oder man gibt das Stichwort "Rassismus" ein. So, ich hoffe, dass ich künftig einen Satz wie "Da der Islam keine Ethnie ist... kann es keinen "antimuslimischen Rassismus geben" (Ute Fabel) hier in Zukunft nicht mehr lesen muss, weder von Ihnen, noch von sonst jemandem.
27.02.20
15:10