Schmerz und Trauer sitzen nach dem Anschlag in Hanau tief. Am Sonntag demonstrieren 10.000 Menschen gegen die steigende Islamfeindlichkeit.
Mehrere tausend Menschen haben am Sonntag in Hanau der Opfer des rechtsterroristischen Anschlags gedacht. „Wichtig ist für uns, Flagge zu zeigen. Gegen Terror, Fremdenfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus“, sagte Mitorganisator Teyfik Özcan. „Unsere Botschaft lautet: Wir sind Deutschland. Wir gehören zusammen.“
Nach ersten Schätzungen liefen um die 10.000 Menschen vom Tatort Kurt-Schumacher-Platz zum Marktplatz in der Innenstadt. Einige hielten Schilder hoch mit Aufschriften wie: „Gemeinsam gegen Terror und antimuslimischen Rassismus“ Auch Fotos der getöteten Opfer waren zu sehen. Organisiert wurde der Trauerzug von von Moscheegemeinden in Hanau.
Nach dem March durch die Innenstadt fand am Marktplatz eine Kundgebung statt, wo unter anderem der türkische Botschafter Ali Kemal Aydın, Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) sowie Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften sprechen wollten.
Muslime und Nichtmuslime durchlaufen nach dem Anschlag eine traurige Zeit . „Wir trauern um Fatih, Mercedes, Vili, Kalojan, Hamza, Gökhan, Sedat, Said und Ferhat. Sie wurden in noch jungen Jahren Opfer von Hass! Hass auf Menschen mit Migrationshintergrund, Hass auf den Islam“, erklärte Macit Bozkurt, Imam der IGMG-Gemeinde, in seiner Rede. Der Anschlag hier in Hanau reihe sich ein in eine Kette von Anschlägen wie in Hoyerswerda, Mölln, Solingen oder auch die Ermordung von Marwa El-Sherbini, dem Anstieg von Anschlägen und Bombendrohungen gegenüber Moscheen und den Anschlägen auf die Synagoge und dem Dönerladen in Halle.
Diese Atmosphäre sei nicht von sich aus entstanden. Seit Jahren beobachten und berichten Muslime, wie schwer sie es derzeit haben. All diese Warnungen wurden entweder ignoriert oder nicht ernst genug genommen oder als Opferrhetorik abgetan. „Hören Sie uns zu! Hören Sie den Opfern zu. Nicht nur den getöteten, sondern auch solchen, die tagtäglich Anfeindungen ausgesetzt sind. Nehmen Sie sie ernst. Geben Sie ihnen das Gefühl, dass sie ernstgenommen werden“, forderte Bozkurt von der Politik und den Medien. Zum Ende seiner Rede appellierte er noch an die Gesellschaft: „Wir lassen uns nicht einschüchtern, wir werden enger zusammenstehen, als zuvor: Wir Muslime, Christen, Juden, Atheisten, egal welcher Religion oder Anschauung wir uns zählen. Wir sind eine Gesellschaft und lassen uns nicht spalten“, so Bozkurt abschließend.
In der Nacht zum Donnerstag hatte nach Ermittlungen der Polizei ein 43 Jahre alter Deutscher in Hanau neun Menschen mit einem Migrationshintergrund erschossen. Der Schütze soll auch seine 72 Jahre alte Mutter und dann sich selbst getötet haben. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der mutmaßliche Täter eine rassistische Gesinnung.
Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) sprach in Köln von einem „schwarzen Tag“. Die Tatorte und ein Bekennerschreiben zeigten, „dass der Terror eine bestimmte Zielgruppe hatte, nämlich Migranten, insbesondere Muslime“, so KRM-Sprecher Dr. Zekeriya Altuğ. Vor diesem rechten Terror habe der KRM seit Wochen und Monaten gemahnt und gefordert, gegen die rechte Hetze und gegen Islamfeindlichkeit deutlich Stellung zu beziehen.
Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Gewalttat von Hanau als rechtsterroristischen Terroranschlag bezeichnet. „Die Tat in Hanau ist eindeutig ein rassistisch motivierter Terroranschlag“, sagte er am Freitag in Berlin. Es sei der „dritte rechtsterroristische Anschlag“ in wenigen Monaten. Wegen möglicher Nachahmungstäter, Wut und Emotionalisierung habe er mit den Innenministern der Länder ein konkretes Vorgehen zum Schutz der Bevölkerung abgestimmt. „Wir werden die Polizeipräsenz in ganz Deutschland erhöhen. Wir werden sensible Einrichtungen verstärkt überwachen, insbesondere auch Moscheen.“ Seehofer kündigte an, dass die Bundespolizei die Länder mit Personal und Sachausstattung unterstützt werde. (dpa, iQ)