Corona-Virus

Darf man wegen Corona dem Freitagsgebet fernbleiben?

Der Corona-Virus greift um sich. Moscheen treffen Vorbeugemaßnahmen. Eine zentrale Frage hierbei ist: Darf man das Freitagsgebet ausfallen lassen? Ein Beitrag von Ilhan Bilgü.

12
03
2020
Freitagsgebet, Ramadan, Corona-Virus
Symbolbild: Freitagsgebet, Ramadan in großer Moschee © shutterstock, bearbeitet by iQ.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) und der Islamrat in Frankreich (CFCM) haben die Freitagsgebete aufgrund des Corona-Virus ausgesetzt. Auch in anderen Ländern überlegen islamische Religionsgemeinschaften Gebete und andere Versammlungen auszusetzen.

Doch ist eine solche Entscheidung gerechtfertigt? Kann das Freitagsgebet abgesagt werden? Darf ein Muslim aus Angst vor einer Krankheit dem Freitagsgebet fernbleiben?

Freitagsgebet – ein Pflichtgebet

Das wöchentliche Freitagsgebet ist für einen Muslim genauso wichtig wie das fünfmalige tägliche Gebet. Es ersetzt das Mittagsgebet an diesem Tag und kann nicht nachgeholt werden.

Die Bedeutung des Freitagsgebets wird im Koran wie folgt dargestellt: „O ihr, die ihr glaubt! Wenn am Tage des Versammelns, zum Gebet gerufen wird, dann eilt zum (gemeinsamen) Gedenken an Allah und lasst den Handel ruhen. Das ist besser für euch, wenn ihr es nur wüsstet.“ (Sure Dschuma, 62:9) Während der Zeit des Gebets sollten Muslime also von Arbeit und Handel absehen und sich dem Gebet widmen.

Im Gegensatz zu den anderen Gebeten können Muslime das Freitagsgebet nicht überall verrichten und dürfen es auch nicht ohne einen triftigen Grund aussetzen.

Corona-Virus – „das Schlimme verhindern!“

Ist es möglich ein so wichtiges Gebet, wegen einer Virus-Epidemie ausfallen zu lassen? Allah hat den Menschen in der Religion nichts Schweres auferlegt (Sure Hadsch, 22:78) und er verpflichtet sie auch nichts, wozu ihre Kraft nicht ausreicht (Sure Bakara, 2: 286). Daher gibt es Erleichterungen für die Verrichtung des täglichen Gebets, z. B. wenn der Betende krank ist, sich auf einer Reise befindet, körperlich nicht dazu in der Lage ist oder sich in Gewahrsam befindet. Wenn einer diese Zustände zutrifft, kann das Gebet verschoben oder ausgesetzt werden. Dies gilt auch für das Freitagsgebet.

Wenn ein Staat als Maßnahme zur Eindämmung einer weiteren Ausbreitung des Corona-Virus alle großen Versammlungen und Aktivitäten aussetzt, ist es auch möglich, das Freitagsgebet „abzusagen“. Dies ist auch aus islamrechtlicher Sicht gerechtfertigt. Denn dort gilt folgender Grundsatz: Das Verhindern von etwas Schlechtem ist besser als das Bewahren des Guten. Das Corona-Virus ist in diesem Fall das Schlechte.

Eine Epidemie kann weitreichende Folgen für die Gesundheit vieler Menschen haben. In einer solchen Situation ist es möglich, das Freitagsgebet nicht zu verrichten und stattdessen das normale Mittagsgebet zu Hause zu verrichten.

Andere Gemeinschaftsgebete und die individuelle Verantwortung

 Jedoch geht es in diesem Fall nicht nur um das Freitagsgebet. Es müsste auch darüber entschieden werden, ob das tägliche Gebet als Gemeinschaft in der Moschee verrichtet wird, bis die Epidemie vorbei ist. Hierbei gilt es, sich an den Empfehlungen und Vorgaben der örtlichen Behörden zu orientieren.

Die Entscheidung, das Gebet mit der Gemeinde auszusetzen, umfasst ebenso alle anderen gesellschaftlichen Zusammenkünfte wie das Besuchen von Hochzeiten, Lehrseminaren, Workshops oder auch Kinobesuchen.

Leserkommentare

Matthias sagt:
Hallo, wenn ich den Satz richtig verstehe:„O ihr, die ihr glaubt! Wenn am Tage des Versammelns, zum Gebet gerufen wird, dann eilt zum (gemeinsamen) Gedenken an Allah und lasst den Handel ruhen. Das ist besser für euch, wenn ihr es nur wüsstet.“ wäre es doch richtig anzunehmen dass, wenn niemand zum Gebet ruft auch niemand hingehen muss.
12.03.20
11:44
Johannes Disch sagt:
Meine Güte, solche Probleme hätte man gerne: Darf man einem kollektiven Gebet fernbleiben, wenn eine Pandemie herrscht..... Selbstverständlich darf man das. Man muss es sogar, will man verantwortlich handeln. Man muss in so einer Situation nach Möglichkeit große Menschenansammlungen meiden. Und ein Gott oder irgend ein Religionsgelehrter, der das anders sehen würde, wäre mehr als bedenklich. Es gibt im Islam die Regel, dass man seine religiösen Pflichten-- wozu auch die Gebete gehören-- aus wichtigem Grund ausfallen und/oder verschieben kann. Insofern ist die im Titel gestellte Frage eindeutig mit JA zu beantworten, Man darf dem Freitagsgebet wegen dem Coronavirus fernbleiben. Die islamischen Regeln geben das her.
12.03.20
13:59
Selim Hamaloglu sagt:
Blödsinn und Unfug. Das Leben geht weiter. Keine Organisation darf und kann sowas verbieten. Gibt es dazu ein Ayet oder Hadis???
12.03.20
20:45
Ethiker sagt:
Es bleibt Auslegungssache. Moscheen entscheiden selbst. Das wirkliche Problem sind Skiurlauber aus Suedtirol oder Menschen aus Risikogebieten, die aus Unbekümmertheit in Deutschland das Virus verbreiten.
13.03.20
8:21
Kritika sagt:
An Matthias / Disch Scharf gedacht, Matthias: Wenn keiner ruft, braucht keiner hin-zu-gehen. ------ An Disch: Mit normalem Verstand kommt man Islamischen " Gläubigen " nicht bei. Gruss, Kritika
13.03.20
23:35
Die muslimin sagt:
Es ist egal, wann und wo man betet. Der koran schreibt nicht vor, dass man 5 mal am Tag beten soll oder muss! Es besagt dass man an verschiedenen Zeitpunkten am Tag Gott gedenken und danken soll... Also den Koran sollte man schon richtig interpretieren.. Beten kann man überall und jederzeit wo man möchte. Und unbedingt zum Gebet muss man nicht gegen wenn man sein Herz mit Gott vereinen möchte.. Immer diese politischen Aussmassen einen Menschen zu lenken...
14.03.20
9:09
Salih sagt:
@Johannes Disch Es ist schön zu sehen mit welchem Engagement du argumentierst, dennoch würde ich Entscheidungen über solche Themen qualifizierten Islamologen überlassen. Die Formulierung "ein Gott" und "irgendein Gelehrter" spricht weder für ein richtiges Verständnis der Religion noch für ein gewisse Achtung. Klar hättest du gerne diese Probleme, sie betreffen dich nicht und erscheinen dir gering. Zum Schluss würde ich dir noch den Gebrauch des Genitivs ans Herz legen.
14.03.20
10:10
Ali Gündüz sagt:
Die muslime kommen ihren Pflichten nach, und haben eine Vorsichtsmaßnahme durch Freitagsgebetverbote in die Wege geleitet. WİEVİELE KİRCHEN HABEN DES GLEİCHEN İN DEUTSCHLAND İN DİE WEGE GELEİTET???! SONNTAGSMESSEN FİNDEN WEİTERHİN STATT,WOHLGEMERKT. KAPPİERT...
15.03.20
5:49
Johannes Disch sagt:
@Selim... (12.03.2020, 20:45) Selbstverständlich kann das verboten werden, und zwar vom deutschen Staat. Und ob es dazu einen Hadith gibt oder ein Ayet, das ist völlig wurscht! Eine Verordnung des deutschen Rechtsstaats genügt!
15.03.20
17:46
Johannes Disch sagt:
@Salih (14.03.2020, 10:10) Danke für die netten Worte. Aber einen Einwand hätte ich: Von wegen, so eine Einschätzung qualifizierten "Islamologen" zu überlassen (sie meinen wohl Islamgelehrte oder Islamwissenschaftler): Das würde bedeuten, man kann nur etwas qualifiziertes über den Katholizismus sagen, wenn man katholischer Theologe ist. Oder über die jüdische Religion, wenn man Judaistik studiert hat. Ich bin ausgebildeter Soziologe, Fachrichtung Religionssoziologie. Und ich beschäftige mich privat und beruflich schon sehr lange mit dem Islam und stehe permanent in regem Austausch mit islamischen Verbänden und anderen islamischen Einrichtungen. Damit verdiene ich mein Geld. Das ist mein täglich Brot, und zwar seit nun bereits fast 2 Jahrzehnten. Ich habe mich schon mit der "Scharia" beschäftigt, da hielten die meisten deutschen Politiker das noch für einen exotischen Nachtclub. Ich mache Integrationsarbeit mit überwiegend muslimischen Migranten, seit 4 Jahren hauptsächlich mit Flüchtlingen. In aller Bescheidenheit: Ich kann mir ein qualifiziertes Urteil über diese Dinge erlauben. Und das ist qualifizierter als ein Urteil von Horst Seehofer oder anderen Politikern, die glauben, sie könnten die Probleme mit Endlos-Islamkonferenzen lösen. Dass ich gelegentlich den Genitiv falsch gebrauche, das ist durchaus möglich. Aber das ist hier kein Germanistik-Seminar. Hier sehe ich die Dinge nicht ganz so streng, als wenn ich einen Aufsatz für eine Fachzeitschrift schreibe. Da gebrauche ich den Genitiv in aller Regel korrekt.
15.03.20
17:58
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