Die Bundesregierung plant die Lockerung der coronabedingten Einschränkungen. Das gilt auch für Religionsgemeinschaften. Die Länder sind jedoch unentschlossen und haben Vorbehalte. IslamiQ hat nachgefragt.
Wann und wie können Gemeinschaftsgebete in Zeiten der Corona-Krise in der Moschee und anderen Gotteshäusern wieder stattfinden? Am Freitag hatte es im Bundesinnenministerium ein Treffen mit Vertretern von Religionsgemeinschaften zu diesem Thema gegeben. Dabei wurde eine Lockerung „zeitnah“ nach dem 30. April in Aussicht gestellt. An diesem Tag wollen Bund und Länder das nächste Mal über weitere Öffnungsschritte in der Corona-Pandemie beraten.
Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) begrüßt die geplante schrittweise Normalisierung des religiösen Lebens in Moscheen, Kirchen, Synagogen und anderen Gotteshäusern. „Religionen stellen einen unverzichtbaren Grundpfeiler unserer Gesellschaft dar und leisten zum gesellschaftlichen Zusammenleben, insbesondere in Krisenzeiten, einen wesentlichen Beitrag“, erklärt KRM-Sprecher Burhan Kesici in einer Pressemitteilung.
Wie aus einer Recherche von IslamiQ hervorgeht, sind die Bundesländer unterschiedlicher Meinung. Wann und wie Moscheen, Kirchen und Synagogen ihre Türe für Gemeinschaftsgebete öffnen sollen, ist noch offen.
In Baden-Württemberg wird es diese Woche erste Gespräche zwischen Landesregierung und Religionsgemeinschaften geben. Es sollen „pragmatische, aber auch sichere Lösungen“ gefunden werden, damit Versammlungen in Moscheen unter Auflagen schrittweise wieder möglich sind, erklärte eine Pressesprecherin des Staatsministeriums Baden-Württemberg auf Anfrage von IslamiQ. Den nötigen Rahmen setze die Corona-Verordnung des Landes. In den Gesprächen mit den muslimischen Vertretern werden „insbesondere Regelugen zum Abstand, zur Hygiene sowie Personenbegrenzungen“ in der Moschee eine Rolle spielen. Ob eine Lockerung im Monat Ramadan möglich sei, werden die Gespräche zeigen. „Lockerungen kann und wird es nur für alle Glaubens- und Religionsgemeinschaften gemeinsam und im Gleichklang geben“, so die Pressesprecherin weiter.
Nichtsdestotrotz sei die Landesregierung überaus dankbar für die starke Unterstützung der Muslime im Land bei der Eindämmung des Virus. In einem Schreiben hat sich Ministerpräsident Kretschmann bei den islamischen Religionsgemeinschaften für ihr Engagement bedankt, gerade „weil es einen großen Einschnitt in die Glaubens- und Religionsfreiheit darstellt“, erklärt die Pressesprecherin.
„Nordrhein-Westfalen hat aufgrund des besonderen Verhältnisses von Staat und Religion Gottesdienste von Beginn der Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus an nicht verboten“, erklärt die Staatskanzlei auf Anfrage. Vielmehr habe man auf die freiwilligen Selbstverpflichtung der Kirchen und Religionsgemeinschaften gesetzt, in der aktuellen Situation keine öffentlichen Gottesdienste durchzuführen. Vor diesem Hintergrund sei die Landesregierung den Religionsgemeinschaften „sehr dankbar dafür, dass sie die Maßnahmen so nachdrücklich unterstützt und umgesetzt haben“.
Nun versuche die Landesregierung die öffentliche Durchführung von Gottesdiensten wieder zu ermöglichen. Hierfür werden die Religionsgemeinschaften entsprechende Vorschläge und Konzepte für Gottesdienste in Corona-Zeiten vorlegen. Für den nordrhein-westfälischen Ministerpräsident Armin Laschet sei es ein „massiver Eingriff in die Grundrechte“, wenn sich Gläubige nicht mehr in Moscheen, Synagogen oder Kirchen treffen könnten.
In Mecklenburg-Vorpommern haben Glaubensgemeinschaften in einer Telefonschaltkonferenz am Montag ihren Verzicht auf Gottesdienste und religiöse Zusammenkünfte in Kirchen, Synagogen und Moscheen bis zum 3. Mai erklärt. „Ich bin mir bewusst, dass die Religionsausübung ein besonders hohes Gut darstellt und gerade in diesen Zeiten für viele Menschen gelebter Glaube Kraft und Zuversicht spendet. Dennoch ist nach allem, was wir bislang über das Virus wissen, noch Geduld in unser aller Interesse notwendig“, erklärte Justizministerin Katy Hoffmeister.
Wie das Justizministerium auf Anfrage von IslamiQ mitteilte, arbeite man aktuell gemeinsam an einer Regelung, die ab dem 4. Mai gelten soll. „Bei allen unterschiedlichen Religionsausrichtungen müsse jedoch eines klar bleiben, dass das Abstandsgebot aus Gründen des Infektionsschutzes eingehalten werden muss“, erklärt ein Pressesprecher des Justizministeriums. Kirchen und Religionsgemeinschaften werden bei der Verfügung über Schutzmasken und Hygienemittel unterstützt. Ob und welche Personenzahlbeschränkung verhältnismäßig wäre, sei noch unklar. „Alle Gemeinschaften haben versichert, in dieser Woche Konzepte vorzulegen, die sie zusammen mit dem Gesundheitsministerium beraten werden können“, so der Pressesprecher abschließend.
„Es gibt nicht die eine Voraussetzung, die erfüllt sein muss“, erklärte die Senatskanzlei Hamburg. Entscheidend werde sein, dass Vorsorge dafür getroffen werde, damit Regelungen zur Vermeidung von Infektionen eingehalten werden.
Der Hamburger Senat schätzt das Engagement der Religionsgemeinschaften. „Die von den Religionsgemeinschaften schon vorsorglich vorgenommenen Einschränkungen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus waren sehr gut und haben geholfen, die Eindämmung des Virus in dieser Zeit maßgeblich zu unterstützen.“
Ob es eine Lockerung des religiösen Lebens im Ramadan schon geben wird, sei noch unklar. „Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg wird die geltenden Maßnahmen lockern, sobald dies möglich ist, ohne die bisherigen Erfolge zu gefährden“. Dabei werden auch die Konzepte der Religionsgemeinschaften berücksichtigt.
Auch das Land Brandenburg prüfe derzeit, unter welchen Voraussetzungen Zusammenkünfte unter anderem in der Moschee erlaubt werden können. Die Landesregierung ist dankbar dafür, dass muslimische Religionsgemeinschaften Gemeinschaftsveranstaltungen abgesagt haben und damit „ein hohes Verantwortungsbewusstsein“ bewiesen haben“, erklärt ein Pressesprecher auf Anfrage von IslamiQ. „Derzeit liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, wonach ab dem 4. Mai 2020 Gottesdienste, religiöse Veranstaltungen und Zeremonien in Kirchen, Synagogen, Moscheen und Gebetshäusern sowie unter freiem Himmel“ unter Wahrung der abgestimmten Schutzkonzepte stattfinden können. Die abschließende Entscheidung zu diesem Vorschlag falle am Freitag, den 24. April, im Kabinett. So sollen erste Lockerungen ab Anfang Mai möglich sein.
Das Staatsministerium in Sachsen begrüßt die „vergangenen und laufenden freiwilligen Bemühungen, die dem Schutz der Bevölkerung vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus dienen und gedient haben“. Seit Montag gelten in Sachsen Lockerungen des Verbots von Ansammlungen von Menschen für die Religionsgemeinschaften. „Das bedeutet, dass Zusammenkünfte z. B. bei Gottesdiensten bis 15 Besucher von dem Verbot ausgenommen sind. Das gilt auch für Beerdigungen, Trauerfeiern und Trauungen“, erklärte eine Pressesprecherin auf Anfrage von IslamiQ. Eine Lockerung im Ramadan sei nicht vorgesehen. „Wann es weitere Lockerungen der geltenden Einschränkung gibt, ist noch nicht absehbar und hängt von den Erfolgen bei der Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus ab.“
Eine baldige Wiederbelebung des öffentlichen religiösen Lebens in Rheinland-Pfalz stand im Vordergrund einer gestrigen Telefonschalte von Vertreterinnen und Vertretern der rheinland-pfälzischen Religionsgemeinschaften mit Staatssekretär Dr. Denis Alt. „Die freie Religionsausübung ist für uns als Landesregierung ein hohes Gut. Wir wollen daher gute, pragmatische Lösungen finden, das religiöse Miteinander in Rheinland-Pfalz wieder möglich zu machen und Gottesdienste und Gebete durchzuführen“, so Staatssekretär Dr. Alt.
Eine mögliche Lockerungen könnte auf Vorlage eines Schutzkonzeptes ab Mai erfolgen. „Elemente eines möglichen Schutzkonzepts sollten die Einhaltung der allgemein geltenden Hygiene- und Abstandsregelungen (in geschlossenen Räumen je 10 qm Fläche eine Person, Mindestabstand von 1,5 Meter), eine Beschränkung der Aufenthaltszeit auf maximal eine Stunde und eine Verhinderung von Personenansammlungen bei Betreten und Verlassen der Gebäude sein“, heißt es in der Pressemitteilung. Diese Elemente gelten sowohl für die Moschee, als auch für andere Gotteshäuser.
In Berlin sollen ab dem 4. Mai wieder Gottesdienste und Gemeinschaftsgebete mit bis zu 50 Teilnehmern möglich sein, „wenn die räumlichen Bedingungen es zulassen und soweit der Mindestabstand und die Einhaltung der Hygieneregeln gewährleistet sind“, hieß es in einer Verordnung von 21.04.2020. Körperkontakt sei streng zu vermeiden. Die Lockerung sei auch „ein Ergebnis des verantwortungsvollen Umgangs der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie in den vergangenen Wochen“, erklärte der Berliner Beauftragte für Kirchen, Religions- und Weltanschauungs-gemeinschaften auf Anfrage von IslamiQ.
In Thüringen sind trotz der Corona-Pandemie früher als geplant wieder Versammlungen und Gottesdienste mit Publikum möglich. Bereits ab Donnerstag (23. April) dürfen sie demnach wieder mit bis zu 30 Teilnehmern in der Moschee oder anderen Gotteshäusern oder bis zu 50 Teilnehmern unter freiem Himmel abgehalten werden, wie die Staatskanzlei am Mittwoch in Erfurt mitteilte. Die jüngste Verordnung sei dementsprechend geändert worden. Ursprünglich sollten die Lockerungen erst ab 3. Mai gelten. Zur Begründung für diesen Schritt wurde auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen.
Niedersachsen wird die Entscheidung über die Wiederzulassung von religiösen Zusammenkünften in enger Abstimmung mit der Bundesregierung und den anderen Bundesländern treffen. „Grundsätzlich gilt, dass wir die Zahl der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus weiterhin so gering wie möglich halten müssen. Insofern müssen jetzt einvernehmliche Konzepte gefunden werden, wie Infektionsschutz und Religionsausübung in Einklang gebracht werden können“, so die niedersächsische Pressestelle.
Die Landesregierung in Niedersachsen begrüße das verantwortungsvolle Verhalten vieler muslimischer Gemeinden in Niedersachsen. „Allen, die dabei helfen die persönlichen Kontakte zu reduzieren und damit das Infektionsrisiko zu vermindern, gilt unser herzlicher Dank“, erklärte die Pressestelle der Staatskanzlei Niedersachsen auf Anfrage von IslamiQ.
Doch seien Gottesdienste in Niedersachsen bis auf Weiteres untersagt. Aufgrund der vorhandenen Kontaktbeschränkungen könne es „leider auch im Ramadan“ nicht das übliche gemeinsame Gebet in der Moschee und das abendliche gemeinsame Fastenbrechen geben. „Ob, wann und wie es zu einer Wiederzulassung von religiösen Zusammenkünften kommen wird, darüber werden sich Bund und Länder bei der nächsten Telefonkonferenz am 30. April abstimmen.“
Die Bundesländer Bayern, Sachsen-Anhalt, Bremen, Schleswig-Holstein, Hessen und Saarland ließen die Anfrage bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags unbeantwortet.