Die Corona-Krise beschert Muslimen einen ungewöhnlichen Ramadan. Mit vielen Problemen, aber auch einigen Vorteilen. IslamiQ sprach mit einer alleinerziehenden Mutter über die Schwierigkeiten im Ramadan.
Drei Kinder, berufstätig und alleinerziehend. Für die 44-jährige Shirin Nour verläuft der diesjährige Ramadan anders als gewohnt, denn die Mutter von einer 16-jährigen Tochter und zwei 14-jährigen Zwillingssöhnen muss während der Corona-Krise ihren Job als Erzieherin, die Erziehung ihrer Kinder und den Monat Ramadan unter einen Hut bringen. „Ich möchte während dem Ramadan bei meinen Kindern sein. Aber leider muss ich sehr lange arbeiten und sie während dieser Zeit alleine zu Hause lassen“, erzählt Shirin gegenüber IslamiQ.
Ihre Eltern können wegen der aktuellen Situation nicht auf ihre Enkelkinder aufpassen. Das erschwert die Organisation des Alltags für Shirin. „Meine Eltern waren immer eine große Hilfe, auch nach meiner Trennung vor sechs Jahren. Aber da sie schon alt sind, können wir sie aktuell mit unseren Besuchen nicht in Gefahr bringen“, schildert die Mutter.
Es ist ein „trauriges Gefühl“, wie es Shirin beschreibt. „Meine Kinder leiden am meisten unter der Einsamkeit“. Für sie sei der Ramadan immer eine Zeit gewesen, in der sie mit ihren Kindern, Eltern und Geschwistern zusammenkommen. Vor allem für ihre Kinder sei der Fastenmonat wie ein Fest. Sie wurden von den Großeltern verwöhnt. Die Oma habe sie bekocht und mit dem Opa seien sie dann am Wochenende zur Moschee gegangen. Danach gab es immer ein Eis.
„Ich arbeite als Erzieherin in einem Kindergarten und betreue auch während der Pandemie Kinder, dessen Eltern arbeiten müssen“, so Shirin. Ihre Kinder seien jedoch zu Hause, nur die Ältere gehe wieder langsam zur Schule. Die alleinerziehende Mutter arbeitet jeden Tag von 10 bis 16 Uhr. Danach stehe der Haushalt an, die Betreuung der eigenen Kinder und die Vorbereitung zum Iftar. „Qualitative Zeit für meine Kinder bleibt da nicht“, sagt Shirin.
Die letzten Jahre habe sie oft Zeit in der Moschee verbracht. Auch ihre Kinder freuten sich auf das Wiedersehen mit ihren Freunden und das gemeinschaftliche Essen. Am Wochenende habe man dann bis zu Sahûr gemeinsam gespielt und gebetet. Vor allem für ihre ältere Tochter sei die Moschee in dieser Zeit eine Motivationsquelle gewesen. „Dort war sie nicht alleine, manchmal reiche ich als Mutter halt nicht“, sagt Shirin mit einem tiefen Atemzug.
Dennoch habe Shirin auch dieses Jahr versucht, soweit es geht den Ramadan für ihre Kinder so schön wie möglich zu gestalten. „Wir haben einen Ramadan-Kalender gebastelt“, erzählt sie. Zudem habe sie die ganze Wohnung mit Lichterketten und Bildern geschmückt. Für Shirin sei es wichtig, den Ramadan schön zu gestalten, auch wenn es nicht immer einfach sei. Dennoch gebe sie sich Mühe, wenigsten am Wochenende die Tage mit ihren Kindern zu verbringen. „Wir spielen Spiele, lesen zusammen aus dem Koran und unterhalten uns über das Leben unseres Propheten Muhammad (s). Es ist wichtig, den Kindern in dieser Zeit viel Input zu geben“, so Shirin.
Seit Beginn der Pandemie hat Shirin schlaflose Nächte. Es ist zu viel an Verantwortung und Aufgaben, die sie größtenteils ganz alleine bewältigen muss. Die Erwartungen ihrer Kinder und ihre ihre eigenen Anforderungen sind eine große Last – die sie nicht einfach so ablegen kann. „Ich möchte natürlich meinen Kindern gerecht werden. Ich weiß nur nicht, ob ich das schaffe“, erzählt Shirin. Dazu kommt der gesellschaftliche Druck. „Hättest du dich doch nicht trennen sollen“ oder „wie sollst du als Frau ganz alleine deine Kinder erziehen“ bekommt die alleinerziehende Mutter leider oft zu hören.
„Am Anfang meiner Trennung war es ganz schwer. Ich wurde von der Gemeinschaft verurteilt“, erinnert sich Shirin. Für sie sei es ein Kampf gewesen, ein Kampf um „Wertschätzung“, „Respekt“ und „Akzeptanz“. Denn, als Frau habe man es auf der Welt viel schwerer als Männer. Und Hilfe von der eigenen muslimischen Community habe sie leider auch nicht genug bekommen. „Ich wusste, dass ich von da an die geschiedene Frau bin, aber das wollte ich nicht so auf mich sitzen lassen“, sagt Shirin.
Für sie sei diese Zeit eine Prüfung und eine Erinnerung daran, welches Ziel sie als Muslimin verfolgen müsse. „Nichts geschieht ohne Grund, Allah möchte uns damit ein Zeichen geben“, sagt Shirin. Und dass gerade dies in der Ramadan-Zeit geschehe, könne für sie kein Zufall sein. „Vielleicht haben wir nie wirklich verstanden, wieso wir fasten und was es für uns wirklich bedeutet, eine Gemeinschaft zu sein. Ich denke, meine Kinder haben es jetzt verstanden – und freuen sich mehr denn je, bald wieder die Moschee besuchen zu können.“