Verfassungsschutz

Zahl der Rechtsextremisten in NRW stark gestiegen

Die Zahl der Rechtsextremisten hat in NRW ein neues Niveau erreicht. Sorgen bereitet dem Verfassungsschutz das Internet als Radikalisierungsmaschine, die irrsinnig anmutendem Verschwörungsglauben massive Reichweite beschere.

09
06
2020
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Politisch motivierte Delikte (c)facebook, bearbeitet by iQ
Politisch motivierte Delikte (c)facebook, bearbeitet by iQ

Die Zahl der Rechtsextremisten ist in Nordrhein-Westfalen auf den höchsten Stand seit zehn Jahren gestiegen. Nach Angaben des Verfassungsschutzes NRW sind im vergangenen Jahr 4075 Menschen dem Rechtsextremismus zuzurechnen gewesen. Das bedeutet ein Anstieg von 25 Prozent im Vergleich zu 2018, wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstag in Düsseldorf berichtete. 2000 von ihnen werden als gewaltbereit eingestuft.

Die Zahl der Linksextremisten stagnierte im gleichen Zeitraum bei 2525. 800 bis 900 von ihnen werden als gewaltbereit eingeschätzt. Die Zahl der Salafisten stieg nach rasantem Anstieg in der Vergangenheit nur noch leicht um 100 auf 3200 – davon seien 700 gewaltbereit. Die große Missionierungswelle in diesem Bereich scheine zu stagnieren.

Digitalisierung der Rechtsextremisten

Kritisch sah Reul die Rolle des Internets: Es sei die „Radikalisierungsmaschine des 21. Jahrhunderts“ und „Reifekammer für Terroristen“. „Hier wird Hass gesät, hier verbreitet er sich, hier werden Extremisten zu Terroristen und hier gedeihen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“, sagte Reul. „Hier werden Vorurteile und Angst geschürt, werden Menschen gegeneinander aufgehetzt.“

Die Digitalisierung des Extremismus sei die größte Herausforderung für die Sicherheitsbehörden in NRW. Über Verschwörungsideologien sickerten extremistische Ansichten in die Mitte der Gesellschaft. Rechtsextremisten hätten zuletzt auch – allerdings meist vergeblich – versucht, den Protest gegen die Corona-Auflagen zu vereinnahmen.

Irrsinnig anmutender Verschwörungsglaube aus dem Netz finde sich in den Köpfen von Rechtsterroristen wieder: Reul nannte den mutmaßlichen Attentäter von Halle, der glaube, dass ihm sein Recht auf Fortpflanzung vom Feminismus genommen werde. Der mutmaßliche Attentäter von Hanau glaube tatsächlich, dass ihm als Kind ein Chip eingepflanzt worden sei. Es gebe auch starke Indizien – aber keine Beweise – dafür, dass ein Teil der Desinformation, der Fake News, von Staaten wie Russland stamme, um westliche Staaten zu destabilisieren.

Keine Entwarnung

Dennoch ging die politisch motivierte Kriminalität in NRW zurück: In diesem Bereich wurden 6032 Straftaten vergangenen Jahr bekannt. Das ist ein Rückgang um 206 Taten oder 3,3 Prozent.

Politisch rechts motivierte Straftaten wurden 3661 gezählt – 106 weniger (Vorjahr: 3767). Die Anzahl der politischen Gewaltdelikte durch rechte Verdächtige sank um 27 Prozent auf 158 Straftaten. Bei den antisemitischen Straftaten war im Gegensatz zum Bundestrend in NRW ein Rückgang von 350 auf 315 zu verzeichnen.

Die Zahlen seien kein Grund zur Entwarnung. „Was uns Sorgen macht, ist nicht so sehr die Quantität, sondern die Qualität“, sagte Reul. Es wäre fahrlässig, so zu tun, als sei hier alles im „grünen Bereich“. (dpa/iQ)