Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth warnt vor Kritik von oberflächlich religiös gebildeten Personen. Problem sei ihr mangelndes Wissen über den Islam.
Die Islamiwissenschaftlerin Angelika Neuwirth hat vor einer oberflächlichen Islamkritik gewarnt. Auf die Frage nach ihrer Haltung zu den Positionen von Publizisten wie Necla Kelek, Hamed Abdel-Samad und Ahmad Mansour sagte Neuwirth im Interview der jüngsten Ausgabe der „Herder Korrespondenz“: „Es lohnt sich natürlich, solche – oft – emotional vorgetragene Kritiken anzuhören, auch wenn sie oft von oberflächlich religiös Gebildeten kommen. Man findet aber meist rasch den Schwachpunkt: mangelndes Wissen über den historisch gewachsenen Islam, das solchen Sprechern die Selbstsicherheit gibt, vermeintlich für den Islam charakteristische Missstände anzuprangern und so das Kind mit dem Bade auszuschütten.“
Es sei nicht zu leugnen, dass heute religiöse Gewalt und Terrorismus besonders oft vom Islam ausgingen. Ihm sei nach Ende des Kalten Krieges die Rolle des „globalen Gegenspielers“ zugefallen. „Beschäftigungslose“ muslimische Kämpfer hätten sich an neue Auftraggeber wie die Terrororganisation al-Qaida gewandt. Die Anschläge vom 11. September 2001 verdankten sich jedoch nicht dem Koran, sondern saudischen Geldgebern, die extremistische Prediger finanzierten. „Die dort geförderte wortwörtliche Lesart des Koran, die keinen Kontext berücksichtigt, verhalf dazu, auch im Koran Gewalt rechtfertigende Verse zu finden und hochzuspielen.“
Neuwirth leitet seit 2007 das Forschungsprojekt Corpus Coranicum an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Dabei geht es insbesondere um die genaue Dokumentation und ausführliche Kommentierung des Korantextes „in seiner handschriftlichen und mündlichen Überlieferungsgestalt“.
Sie ist Trägerin zahlreicher Auszeichnungen – unter anderem des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse, des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa und des Leopold-Lucas-Preises der Universität Tübingen.
Zuvor erhielt die deutsche Islamwissenschaftlerin den Theologischen Preis der Salzburger Hochschulwochen in Österreich. Vor allem mit ihren Forschungen zur gegenseitigen Beeinflussung von Koran und christlicher Spätantike fordere die Wissenschaftlerin die Theologiegeschichte heraus und schärfe zugleich die christliche Identität, begründete die Jury die Vergabe. (KNA, iQ)