Berlin

Islamfeindlichkeit: Einsatz der Expertengruppe steht noch aus

Der Einsatz des geplanten unabhängigen Expertenkreises für Islamfeindlichkeit steht weiterhin aus. Die Vorbereitungen seien widersprüchlich.

28
06
2020
Expertengruppe Islamfeindlichkeit
Das Bundesministerium des Innern © Cornelius Bartke auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.

Der Einsatz des geplanten unabhängigen Expertenkreises für Islamfeindlichkeit steht weiterhin aus. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion vom 18. Juni hervor. Die internen Abstimmungen zur Verfahrensweise bei der Einrichtung des „Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit (UEM)“ seien zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abgeschlossen, hieß es seitens der Bundesregierung. Unklar bleibe somit die Form der Einsetzung, die Zusammensetzung des Expertenkreises und wann der abschließende Bericht erscheinen soll.

Die bisherigen Aussagen in Bezug auf die Vorbereitung des Expertenkreises erscheinen nach Auffassung der Fragesteller widersprüchlich. Demzufolge baten die Fragesteller um Erläuterung.

Auf die Frage, wann der Unabhängige Expertenkreis für Islamfeindlichkeit eingesetzt werden soll, antwortete die Bundesregierung: „Ein Zeitpunkt für die Einsetzung des UEM steht nicht fest.“

Gespräche zu Islamfeindlichkeit mit islamischen Religionsgemeinschaften

Hinsichtlich der Zusammensetzung und Arbeitsweise des Expertenkreises werde sich die Bundesregierung an den entsprechenden Gremien in den Bereichen Antisemitismus und Antiziganismus orientieren. Entsprechend sollen bei der Auswahl der Mitglieder die fachliche Expertise maßgeblich sein und die Mitwirkung von Experten aus Wissenschaft und Praxis im Zentrum stehen.

Das BMI führe außerdem im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz (DIK) anlassbezogen und auf unterschiedlichen Ebenen Gespräche zu Islamfeindlichkeit mit Vertretern der islamischen Religionsgemeinschaften. Den Austausch und Kontakt mit diesen Vertretern der Muslime in Deutschland, der auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Formaten stattfinde, soll auch im Hinblick auf die Einrichtung des UEM fortgeführt werden.

Hanau als Antstoß

Am 29. Februar 2020 erklärte der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat Horst Seehofer, dass er nach den rassistischen Morden an neun Menschen in Hanau am 19. Februar 2020 eine „Unabhängige Expertengruppe gegen Islamfeindlichkeit“ ins Leben rufen will.

Der UEM ist den Angaben zufolge eine „Reaktion auf rassistische, antimuslimische und gegen Menschen mit Migrationshintergrund gerichtete Vorfälle und die terroristischen Attacken, Anschläge und Anschlagsplanungen der letzten Zeit“. Der Expertenkreis soll entsprechende Formen von Islamfeindlichkeit in Deutschland untersuchen und auch mit antisemitischen Haltungen vergleichen.

Die Arbeit solle auf mehrere Jahre angelegt sein und in einen Bericht an die Bundesregierung münden, „der Empfehlungen für den Kampf gegen antimuslimischen Hass und islamfeindliche Ausgrenzung auf allen Feldern und Ebenen gibt“.

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Ein längst überfälliger Schritt. Für den einfachen Bürger im Alltag gilt, Islamfeindlichkeit nicht zu tolerieren, was konkret heißt: Wer Zeuge oder gar Betroffenener von Islamfeindlichkeit - das können z.B. abfällige Bemerkungen sein - wird, dann gilt es, sofort die Polizei zu rufen und Strafanzeige gegen den Täter zu erstatten. Und bis die Polizei eintrifft, muss der Täter ggf. mit Zuhilfenahme Dritter festgehalten werden, damit er nicht abhaut. Das wird den Täter sowie potentielle Nachahmungstäter abschrecken. Wer aber nichts tut, der macht sich zum Opfer und ermutigt den Täter auch noch. Nichtstun und gute Mine zum bösen Spiel zu machen ist keine Lösung. Für die Moscheegemeinden gilt, mit der Nachbarschaft und mit den Menschen sowie Institutionen im Einzugsbereich der Moschee gute Kontakte zu pflegen und im Dialog zu bleiben. Dazu gehört auch, als Moscheegemeinde sich an Runden Tischen zu partizipieren und sich in der Kommune einzubringen. Dann werden Vorurteile sowie Vorbehalte abgebaut oder entstehen erst gar nicht. Präventionsarbeit fängt schließlich auf kommunaler Ebene an.
28.06.20
15:35
Vera von Praunheim sagt:
Viel sinnvoller, fairer und zielführender wäre es, wenn ein unabhängiger Expertenkreis zur grundsätzlichen Erforschung von Religionsfeindlichkeit etabliert würde. Also einschließlich Judenfeindlichkeit, Christenfeindlichkeit und jeglicher Glaubensfeindlichkeit. Der Kampf gegen Judenfeindlichkeit und antichristlichen Hass bei jeglicher glaubensfeindlicher Ausgrenzung auf allen Feldern und Ebenen darf keinesfalls eine Nebenrolle erhalten. Auch wäre es gut, wenn der Rassismus-Begriff klarer definiert würde. Gibt es denn eine Rasse der Muslime, eine Rasse der Christen, eine Rasse der Juden oder eine Rasse der Ungläubigen? Die Bundesregierung wäre gut beraten, sich keinesfalls einseitig unter Druck setzen zu lassen und schnell etwas zu konstruieren, was der Realität in keinster Weise gerecht werden würde.
28.06.20
18:51
Ute Fabel sagt:
@Vera von Praunheim: Ausgrenzung von Gesinnungsgemeinschaften ist nichts Negatives. Die österreichischen Sozialdemokraten grenzen die rechtspopulistische FPÖ schon seit über 30 Jahren aus, indem sie beschlossen haben, mit ihr keine Koalition eingehen zu wollen. Die CDU grenzt die Linken aus, indem sie mit ihr nicht koalieren will. Gegenüber der Scientology-Kirche, die in den USA als Religionsgemeinschaft anerkannt wird und Steuervorteile genießt, nehmen die meisten Österreicher und Deutschen aus gutem Grund einen ausgrenzende Haltung ein. Religionsfeindlichkeit ist genau berechtigt wie Astrologie- oder Homöopathiefeindlichkeit.
02.07.20
13:45