Am 11. Jahrestag der Ermordung gedenken Muslime aller Welt an Marwa El-Sherbini. Sie wurde ermordet, weil sie Muslimin ist.
Heute vor genau elf Jahren wurde die 31-jährige Pharmazeutin, Mutter und Ehefrau Marwa El-Sherbini im Gerichtssaal ermordet. Noch während des Prozesses stach der Angeklagte im Gerichtssaal 16 Mal auf die studierte Pharmazeutin ein. Ihr Ehemann, der ihr zur Hilfe eilen wollte, wurde von einem Polizisten angeschossen, da man ihn fälschlicherweise als Aggressor vermutete. Nur durch eine Notoperation konnte er gerettet werden. Am 1. Juli stirbt auch ihr ungeborenes Baby, denn Marwa war im dritten Monat schwanger. Das Motiv des Mörders: Islamfeindlichkeit. Das alles geschah vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes.
Die Tat löste Entsetzen in Deutschland und in der islamischen Welt Proteste aus. Der Täter wurde wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Seitdem Mord an Marwa El-Sherbini versammeln sich am 1. Juli eines jeden Jahres Vertreter der Politik, Justiz und Verwaltung und Politik sowie Muslime und andere Religionsgemeinschaften vor dem Landgericht, um Marwas zu gedenken.
„Elf Jahre sind seit der Ermordung von Marwa El-Sherbini im Dresdener Landgericht vergangen. Wir müssen leider konstatieren, dass sich die Situation von muslimischen Frauen in Deutschland und Europa weiter verschlechtert hat. Sie werden immer häufiger beleidigt und tätlich angegriffen. Sie sind immer häufiger Opfer von rassistisch motiviertem Gewaltverbrechen“, erklärt Aynur Handan Yazıcı, Vorsitzende der Frauenorganisation Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) in einer Mitteilung.
Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit sei seit vielen Jahren europaweit in Netzwerken organisiert. „Deutschland weiß nach den einschneidenden Erfahrungen von Solingen, Mölln, Dresden, Halle oder zuletzt in Hanau um die Folgen des Nichtstuns“, so Yazıcı weiter. Demnach biete die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli durch Deutschland eine gute Gelegenheit bei der Bekämpfung von Rassismus und Islamfeindlichkeit mit gutem Beispiel voranzugehen.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat mehr Engagement gegen Rassismus gefordert. Seit dem islamfeindlichen Mord an Marwa El-Sherbini 2009 nähmen Übergriffe und Anschläge auf Muslime stetig zu, sagte Generalsekretär Abdassamad El Yazidi zum 11. Jahrestag des Verbrechens. „Damals wie heute wird das Phänomen des antimuslimischen Rassismus und die negative Stimmung gegen Muslime oft noch in der Gesellschaft ignoriert und zu oft unterschätzt.“
Auch die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) beteiligt sich an den Initiativen zum Tag gegen den antimuslimischen Rassismus. „Wir haben in diesen 11 Jahren schmerzlich zur Kenntnis nehmen müssen, dass rechter Terror, Übergriffe auf Musliminnen und Muslime sowie Angriffe auf Moscheen nicht weniger wurden. Eine Gesellschaft ist nur so erfolgreich, wie sie ihre Schwächen zu verbessern weiß“, erklärt Abdurrahman Atasoy, Generalsekretär der DITIB. Der 1. Juli sei ein Auftrag, an einem besseren Deutschland zu arbeiten.
Sächsische Migrantenorganisationen fordern von Politik und Gesellschaft mehr Engagement gegen rassistisch motivierte Gewalt und Strukturen. Das sei „unabdinglich und längst überfällig“, appellierte der Dachverband sächsischer Migrantenorganisationen (DSM) zum Jahrestag der Ermordung von Marwa El-Sherbini. Das jährliche Gedenken von Zivilgesellschaft und Politik an die Bluttat vom 1. Juli 2009 sei ein wichtiges Zeichen, „aber nicht genug“.
Menschen, die sich gegen rassistische Beleidigungen wehren, müssten gehört werden und von politischer Seite offene und klare Unterstützung bekommen, forderte der DSM. Zudem müssten Gewalttaten mit rassistischem Motiv endlich klarer von den Sicherheitsbehörden benannt und den dahinterliegenden Strukturen aktiver nachgegangen werden. „Der Mord an Marwa El-Sherbini ist kein Einzelfall“, verwies der DSM auf die 19 Todesopfer rechter Gewalt seit 1991 in Sachsen. „Jeder dieser Menschen ist einer zu viel und zeigt, wie Rassismus in Deutschland tötet.“
Zum Tag gegen antimuslimischen Rassismus an diesem Mittwoch fordert die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (CLAIM) mehr Beachtung für das Thema. „Die Mehrheitsgesellschaft ist in puncto antimuslimischer Rassismus nicht genügend sensibilisiert“, erklärte eine Sprecherin der CLAIM.
Ein Projekt des Netzwerkes sei die Verbesserung der Datenlage zu islamfeindlichen Übergriffen. Im vergangenen Jahr habe es bundesweit 950 islamfeindliche Straftaten gegeben. Das gehe aus den Erhebungen des Innenministeriums hervor. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Dunkelziffer schätzen Experten achtmal so hoch ein“, sagte die Sprecherin. Aufgrund der bisher fehlenden Sensibilisierung könnten Sicherheitsbehörden antimuslimische Straftaten nicht immer erkennen und entsprechend einordnen. Auch sei die Scheu bei Betroffenen hoch, Übergriffe zu melden. (dpa, iQ)