In München findet heute der 100. Verhandlungstag im NSU-Prozess statt. Von einer Aufklärung kann, laut Prozessbeteiligten und Beobachtern, nicht mehr ausgegangen werden. Die Bundesanwaltschaft konzentriert sich auf die Verurteilung der fünf Angeklagten.
Heute ist der 100. Verhandlungstag im NSU-Prozess. Die Stimmung ist getrübt. Fast elf Monate lang hat sich das Oberlandesgericht München mit der Aufarbeitung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und den Morden an zehn Menschen, meist türkischer Abstammung, beschäftigt. Angeklagt sind Beate Zschäpe sowie vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer der rechtsextremen terroristischen Vereinigung: André E., Holger G. und Carsten S. sowie der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben.
Dem NSU werden, unter anderem eine Mordserie zwischen den Jahren 2000 – 2006, das Nagelbomben-Attentat in Köln im Jahr 2004 und der Polizistenmord von Heilbronn im Jahr 2007 zugeordnet. Beate Zschäpe muss sich unter anderem wegen Mittäterschaft in zehn Mordfällen, schwerer Brandstiftung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten.
Eine Aufarbeitung der Fälle gestaltet sich jedoch schwierig. Nebenanklagevertreter werfen der Bundesanwaltschaft unter anderem vor, sich verstärkt auf die Verurteilung der fünf Angeklagten zu konzentrieren, statt umfassende Aufklärung zu betreiben, samt möglichen weiteren Helfern und Mitwissern.
Kein Glaube an eine Aufklärung
Auch Felix Jansen, Projekt-Leiter von „NSU-Watch“, der minutiös jede Verhandlung beobachtet glaubt nicht mehr an eine vollständige Aufklärung im Prozess. Im Gespräch mit dem Mediendienst Integration erklärte Jansen: „Ich sehe nicht, dass er [der Prozess] uns erklären wird, was der NSU war und was in den letzten 15 Jahren passiert ist. Er dient dazu, den fünf Angeklagten ihre Taten nachzuweisen. Nur das strafrechtlich Relevante spielt eine Rolle.“
Ein Problem sei jedoch, dass etliche Taten verjährt seien, weil sie länger zurück lägen als zehn Jahre. Im Prozess werde auch nicht die rassistische Ausrichtung der Polizeiermittlungen, der institutionelle und strukturelle Rassismus innerhalb der Behörden, thematisiert. Die Bundesanwaltschaft unterbinde regelmäßig Versuche der Nebenkläger mit dem Hinweis, es handle sich beim Prozess um keinen Untersuchungsausschuss. Kritische Nachfragen werden abgeblockt.
Zschäpe bleibt still
Ähnlich wird die aktuelle Lage durch die Opferanwälte bewertet. Sie glauben nicht mehr an eine Aufarbeitung der NSU-Morde. Die einzige Person, die für Aufklärung sorgen könnte, sei Beate Zschäpe selbst. Doch sie macht von ihrem Schweigerecht gebrauch. Kein Wort zur Anklage. Keine Regungen.
Auch angehörte Zeugen glänzen meist darin, den Prozess in die Länge zu ziehen. Oftmals wollen oder können sich die Zeugen nicht mehr erinnern. Nachfragen des vorsitzenden Richters Manfred Götzl verpuffen oft angesichts der „Erinnerungslücken“. Bislang wurden im Prozess rund 300 Zeugen gehört. Allein für das nächst-größere Thema im Prozess, dem Nagelbomben-Anschlag in der Kölner Keupstraße aus dem Jahr 2004, sollen bis zu einhundert weitere Zeugen gehört werden.
In diesem Jahr sollen noch weitere 88 Verhandlungstage folgen. Ein Ende des Prozesses wird erst für 2015 erwartet, wenn es nicht nach hinten verschoben wird.