Erfurt

Thüringer Regierungskoalition will NSU-Archiv

Die Politik in Thüringen fordert ein zugängliches Archiv zum NSU-Terror. Ein entsprechender Antrag soll in der nächsten Landtagssitzung eingereicht werden.

12
07
2020
NSU-Akten
Symbolbild: NSU ©

In Thüringen soll nach dem Willen von Grünen, Linke und SPD ein breit zugängliches Archiv zum rechtsextremen NSU-Terror entstehen. In solch ein Archiv sollten die Akten der beiden abgeschlossenen NSU-Untersuchungsausschüsse im Thüringer Landtag überführt werden, damit weiter mit ihnen gearbeitet werden könne, erklärte die Innenpolitikerin der Grünen-Landtagsfraktion, Madeleine Henfling.

Einen entsprechenen Antrag wolle Rot-Rot-Grün in der nächsten Landtagssitzung einreichen. „Das ist besonders wichtig für die weitere Aufarbeitung und Berichterstattung zum NSU“, betonte Henfling. Auch zwei Jahre nach Verurteilung der Rechtsterroristin Beate Zschäpe wegen zehnfachen Mordes werde deutlicher denn je, dass es kein Ende der Auseinandersetzung und Aufklärung des NSU-Komplexes geben dürfe.

Die Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe waren Ende der 1990er Jahre untergetaucht. Als Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) töteten sie zwischen 2000 und 2007 neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. Außerdem werden sie für zwei Sprengstoffanschläge sowie Raubüberfälle verantwortlich gemacht. Erst im November 2011 flog die Gruppe nach einem Banküberfall in Eisenach auf.

NSU: Anwälte kritisieren Urteil zu Zschäpe

Das Gericht hatte kürzlich sein schriftliches Urteil gegen Zschäpe und vier Mitangeklagte vorgelegt, fast zwei Jahre nach der mündlichen Urteilsverkündung am 11. Juli 2018. Zschäpe war am Ende des mehr als fünfjährigen Mammutverfahrens um die Morde und Anschläge des NSU zu lebenslanger Haft verurteilt worden – auch wenn es keinen Beweis gibt, dass sie selbst an einem der Tatorte war.

In einer schriftlichen Stellungnahme haben die 19 Anwälte der Opfer-Angehörigen das Urteil scharf kritisiert. Sie warfen den Richtern eine „hässliche Gleichgültigkeit“ gegenüber den Nebenklägern vor und beklagten ein „Versagen des Rechtsstaats“. Die Nebenklage-Anwälte kritisierten, dass das Urteil nichts zur Wahrheitsfindung im NSU-Komplex beitrage: „Das Urteil gibt noch nicht einmal das ansatzweise wieder, was durch die Beweisaufnahme ans Licht gebracht wurde. Es hat die Ergebnisse der fünfjährigen Beweisaufnahme bis zur Unkenntlichkeit verkürzt oder dreist verschwiegen.“ (dpa, iQ)

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Der NSU-Skandal zeigt uns, dass wir auch in Deutschland einen Staat im Staate haben, in welchen der Verfassungsschutz sowie Teile der Politik, Polizei etc. verwickelt sind. Es ist sehr bezeichnend, dass NSU-Akten über Jahrzehnte unter Verschluss gehalten werden sollen. Wer das angeordnet hat, der hat offensichtlich was zu verbergen, was für ihn und insgesamt für den gesamten Staatsapparat zum Nachteil wäre. Damit will man nur verhindern, dass ein Jahrhundertskandal noch größer wird als es schon ist. Aber wie es so schön heißt: Der große Tag der Abrechnung kommt auf jeden Fall. Und diejenigen, welche involviert waren, werden es bitter bereuen. Die können einem fast Leid tun. Aber fast. Es ist einfach nur traurig, dass dieses wunderschöne Land unter solchen Machenschaften im Hintergrund leiden und sie ausbaden muss. Möge Gott uns allen helfen.
12.07.20
20:17