Landgericht Magdeburg

Halle: Religionsvertreter wollen harte Strafe für Attentäter

Kurz vor Beginn des Prozesses gegen den mutmaßlichen Attentäter von Halle am Dienstag haben Religionsvertreter eine harte Strafe gefordert.

21
07
2020
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Synagoge Halle Überlebende
Synagoge in Halle © Twitter, bearbeitet islamiQ.

Kurz vor Beginn des Prozesses gegen den Attentäter von Halle am Dienstag haben Religionsvertreter eine harte Strafe gefordert. Der Mann solle mit „der ganzen Härte des Gesetzes“ bestraft werden, forderte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, in der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Dienstag). Auch sollten die „Untiefen des Hasses“ offengelegt werden, in denen sich der Mann im Internet habe radikalisieren können.

Knobloch forderte mehr Demokratiebildung in den Schulen und in den Kindergärten. Sie begrüßte jüngste Gesetzesverschärfungen gegen Hass im Internet. Dennoch gab sie zu bedenken: „Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft haben inzwischen das Gefühl, auf verlorenem Posten zu stehen, und ehrlich gesagt kann ich sie verstehen“, erklärte Knobloch. „Ein jüdischer Mensch, der in der Stadt als solcher zu erkennen ist, lebt immer noch gefährlich.“

Während Extremisten die Redefreiheit missbrauchten, um Hass zu verbreiten, sei der Staat machtlos, so Knobloch. Mit jedem Vorfall schwinde das Vertrauen in den jüdischen Gemeinden. „Es müssten jetzt deutlich sichtbare Zeichen gegen Antisemitismus geben von einer Gesellschaft, die versteht, dass sie selbst mit bedroht ist. Das sehen wir aber noch viel zu selten.“

IGMG: „Weiteres Justiz-Debakel verkraften wir nicht“

„Der Prozess zum rassistisch motivierten Anschlag in Halle ist mehr als ein Verfahren über eine abscheuliche Tat. Mit diesem Prozess steht und fällt auch das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Justiz. Ein weiteres Justiz-Debakel wie im NSU-Prozess verkraften wir nicht“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). Die Tat müsse mit allen seinen Facetten herausgearbeitet und in den richtigen Kontext gestellt werden. Nämlich, dass der Täter kein Einzeltäter sei, sondern von einer rassistischen Ideologie angetrieben werde, die im Internet „kollektiv gelebt, gepflegt und weitergegeben werde“ – von Oslo bis Christchurch, von Halle bis Hanau.

„Es ist kein Zufall, dass der Täter für seine Untat gezielt eine Synagoge aufgesucht und anschließend einen türkischen Döner-Imbiss angesteuert hat, um Muslime zu töten“, so Altaş weiter. Das Gericht im Halle-Prozess stehe in der Pflicht, bei der Aufklärung klare und deutliche Worte zu finden und Defizite schonungslos anzusprechen.

Islamrat: Behörden müssen Hintergründe erforschen

Der Vorsitzende des Islamrats der BRD, Burhan Kesici, erwartet ebenfalls eine harte Strafe. „Die Strafe sollte ein Symbol dafür sein, dass jegliche Art von Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus hart bestraft wird“, erklärt Kesici auf Anfrage von IslamiQ. Er fordert die entsprechenden Behörden auf „mehr Aufklärungsarbeit zu machen und entschieden gegen Verschwörungstheorien vorzugehen und auch die Hintergründe zu erforschen“. Bei den Attentätern werde meistens von Einzeltätern ausgegangen. „Aber wir sehen, dass sie sich im Internet und in bestimmten Foren radikalisieren. Und hier muss auch entschieden entgegengewirkt werden“, betont Kesici abschließend.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, betonte, er erwarte ebenfalls ein „hartes und wegweisendes“ Urteil. „Es sollte deutlich machen, dass Rassismus keine Meinung ist – sondern im schlimmsten Fall tötet“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Ich wünsche mir dies auch als ein Signal an die Minderheiten und vielfältigen, friedlichen Gruppen in Deutschland.“ Sie sollten sich in der Demokratie in Deutschland gut aufgehoben und sicher vor solchen Terrorakten fühlen.

Forderung: Lebenslange Haft

Am Dienstag beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter von Halle vor dem Landgericht Magdeburg. Der Generalbundesanwalt erhebt den Vorwurf des Mordes in zwei Fällen, des versuchten Mordes in 68 Fällen sowie der Volksverhetzung und gefährlicher Körperverletzung. Dem angeklagten 28-Jährigen droht lebenslange Haft. Das zuständige Oberlandesgericht Naumburg hat 40 Nebenkläger zugelassen und 18 Verhandlungstage angesetzt. (KNA/iQ)