MOSCHEEANGRIFFE

Bombendrohungen auf Moscheen: Fall und Täter bestimmen Gefährdung

Nach einer Serie von Bombendrohungen auf Moscheen haben islamische Religionsgemeinschaften mehr Schutz gefordert. Für viele Länder sind die Drohungen kein Grund, die Schutzmaßnahmen zu erhöhen.

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07
2020
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Islamfeindlichkeit
DITIB Zentralmoschee Duisburg nach Bombendrohung ©️ Facebook, bearbeitet by iQ.

Seit Juli 2019 haben Moscheen bundesweit vermehrt Bombendrohungen erhalten. Diese Drohungen bilden einen Höhepunkt von Angriffen auf Moscheen. Allein in den ersten Juliwochen wurden neun Moscheen wegen Bombendrohungen geräumt und durchsucht: Iserlohn, Köln, MünchenMannheim, Duisburg, Mainz, Villingen-Schwenningen. In weiteren Moscheen kam es zu Angriffen und Koranschändungen.

Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) reagierte mit Entsetzen auf die Bombendrohungen. „Muslime sind tief verunsichert. Der Staat steht in der Pflicht, vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen“, hieß es. Zudem forderte der KRM die Sicherheitsbehörden dazu auf, die Täter zu fassen. „Die aktuelle Bedrohungslage wird sehr unterschätzt. Unseren Aufrufen zu mehr Schutz für Moscheen wurde nicht nachgekommen. Politik und Sicherheitsbehörden hüllen sich in Schweigen. Der Staat steht in der Verantwortung, dass alle Menschen frei von Angst und Gewalt ihre Religion ausüben können.“

NRW: Keine Hinweise auf ernsthafte Tatumsetzung

Wie aus Recherchen von IslamiQ hervorgeht, wurden nach den Bombendrohungen weder die Sicherheitsmaßnahmen der Moscheen in den Bundesländern erhöht, noch konnten die Verfasser der Drohungen ermittelt werden. „Bei allen bisher bekannten Sachverhalten ist über die Drohung hinaus kein schädigendes Ereignis eingetreten. Sprengstoff wurde ebenfalls nicht aufgefunden. Es liegen bislang keine Hinweise auf eine ernsthafte Tatplanung und Tatumsetzung im Sinne der Drohungen vor“, erklärt das NRW-Landesinnenministerium auf Anfrage von IslamiQ.

Die örtlichen Polizeibehörden in NRW haben spezielle Kontaktbeamtinnen und -beamte für Moscheen und muslimische Einrichtungen. „Bei Bekanntwerden einer möglichen Gefährdung für ein Objekt wird durch die örtlich zuständige Kreispolizeibehörde eine sogenannte Beurteilung der Gefährdungslage erstellt. Aus dem Grad der Gefährdung ergeben sich dann die ggf. notwendigen Schutzmaßnahmen.“ Im vergangenen Jahr wurden 19 Angriffe auf Moscheen in NRW erfasst. Die hohe Zahl sei kein Zufall. Die Täter möchten die Betroffenen verunsichern und möglichst hohe mediale Aufmerksamkeit erzielen. „Diese Zielsetzung wird durch die Nutzung bekannter rechtsextremistischer Label als Absender noch verstärkt“, so das Innenministerium weiter.

Bremen: Rechte Bombendrohungen nicht belastbar prognostizierbar

Anfang des Jahres hat die Fatih Moschee in Bremen zwei Bombendrohungen mit einem Päckchen weißem Pulver erhalten. Ob Sicherheitsmaßnahmen erhöht wurden, wollte der Bremer Senat auf Anfrage nicht mitteilen. „Die daraus abgeleitete polizeilichen Maßnahmen (z. B. Objektschutz) sind aber als Verschlusssache zu bewerten und dürfen nicht weitergegeben werden“, erklärt ein Pressesprecher des Bremer Senats. Nach den Drohungen sei es zu keiner Umsetzung oder Ernsthaftigkeit gekommen. „Aktionen und mögliche Straftaten durch irrational handelnde Personen, fanatisierte bzw. psychisch auffällige Personen oder Nachahmungstäter sind jedoch nicht belastbar prognostizierbar.“ Daher könne man nicht über ein verändertes Sicherheitsrisiko für Muslime und islamische Einrichtungen sprechen.

Berlin: Hohe Gefährdungslage für Moscheen

In Berlin werde die Thematik „Islamfeindlichkeit“ weiterhin ein konstantes Aktionsfeld der rechten Szene bleiben, da man insbesondere vor Wahlen öffentlichkeitswirksam und islamkritische agieren möchte. Angefangen mit Farbschmierereien bis hin zu Brandanschlägen. „Aufgrund der bestehenden abstrakt hohen Gefährdungslage für muslimische Einrichtungen in Berlin sind die polizeilichen Maßnahmen auf einem anhaltend hohen Niveau“, erklärt das Berliner Polizeipräsidium auf Anfrage. Seit dem Juli 2019 wurden zwei Bombendrohungen auf Moscheen in Berlin registriert. Doch von den Tätern fehlt jeder Spur.

Niedersachsen: Sicherheitsrisiko nach Bombendrohungen unverändert

Auch in Niedersachsen habe sich das Sicherheitsrisiko von Muslimen und Moscheen nach den Bombendrohungen nicht verändert, teilte das niedersächsische Landeskriminalamt auf Anfrage mit. Sofern erforderlich werden Sicherheitsvorkehrungen kurzzeitig erhöht. Dies komme aber auf den Einzelfall an. Trotz einigen Drohungen wurden keine Täter ermittelt.

Wie die Pressestelle des Innenministeriums in Baden-Württemberg gegenüber IslamiQ mitteilte, haben auch dort mehrere Moscheen eine Bombendrohung erhalten. Zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung treffe die Polizei nach einer Gefährdungsbewertung die erforderlichen Maßnahmen. „Hierzu gehören beispielsweise lageorientierte Objektschutzmaßnahmen, die Festlegung von Meldewegen und polizeilichen Ansprechpartnern in Eilfällen sowie die Durchführung von sicherheitstechnischen Beratungen“, sagt der Pressesprecher des Innenministeriums.

Bayern: Gefährdung orientiert sich am Einzelfall

Auch in Bayern haben zwei Moscheen eine Bombendrohung erhalten. „Eine pauschale Aussage zur Sicherheitslage ist nicht möglich, da die Gefährdungsbewertung sich immer an dem jeweiligen Einzelfall bzw. Einzelperson orientiert“, erklärt die Pressestelle des bayerischen Landeskriminalamts. Die Sicherheitsmaßnahmen würden je nach Einzelfall auf Erforderlichkeit, Dauer und Wirksamkeit geprüft. Muslime, die durch die Moscheeangriffe traumatisiert seien oder Ängste davongetragen haben, könnten seelsorgerischen Beistand in Anspruch nehmen und sich bei diversen Melde- und Koordinierungsstellen gegen Rechtsextremismus melden.