In Österreich wurde die angekündigte Dokumentationsstelle vorgestellt. Die IGGÖ kritisiert die Beschränkung auf den „Politischen Islam“. Eine Zusammenarbeit sei unzumutbar.
In Österreich nimmt in Kürze die „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ ihre Arbeit auf. Nach corona-bedingter Verzögerung sei nun ein „Start in wenigen Wochen“ vorgesehen, erklärte Integrationsministerin Susanne Raab am Mittwoch. In einer Pressemitteilung erklärt die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) eine Zusammenarbeit mit der Dokumentationsstelle für unzumutbar. Seit der Angelobung der neuen Bundesregierung habe die IGGÖ mehrfach ihre Kooperationsbereitschaft bei der Bekämpfung jeglicher Form des Extremismus zugesichert und ihre Expertise bei der Auseinandersetzung mit Phänomenen, die einen islamisch-religiösen Hintergrund aufweisen, angeboten. Dieses Angebot sei von der Politik ignoriert worden.
Umso verwunderlicher sei die Behauptung aus dem Bundesministerium, es hätte im Vorfeld Gespräche mit der IGGÖ gegeben. „Die IGGÖ war bei der Planung der Dokumentationsstelle entgegen aller Behauptungen des Ministeriums zu keinem Zeitpunkt eingebunden und wurde einen Tag vor der Pressekonferenz lediglich vor vollendete Tatsachen gestellt“, erklärt die IGGÖ.
Dass trotz mehrfacher Kritik an dem unbrauchbaren Begriff des „politischen Islams“ nun bei der Betitelung der geplanten Dokumentationsstelle dennoch auf genau diesen zurückgegriffen werde, zeuge für IGGÖ-Präsidenten Ümit Vural von einer rein politischen Zielsetzung. Namhafte österreichische und internationale ExpertInnen unterschiedlicher Disziplinen seien im vergangenen Jahr bei der von der IGGÖ initiierten Fachtagung zum Thema „Politischer Islam – Versuch einer Definition“ zu dem Schluss gekommen, dass es keine anerkannte wissenschaftliche Definition des Begriffs gibt. Von einer Verwendung desselbigen haben sie daher nachdrücklich abgeraten.
„Ohne eine Arbeitsdefinition für den Begriff des sogenannten politischen Islam ist nicht klar, was oder wer überhaupt untersucht werden soll. Das öffnet einem möglichen Generalverdacht allen organisierten und engagierten Musliminnen und Muslimen gegenüber Tür und Tor“, so Vural im ÖRF-Interview.
In den letzten Jahren habe sich in Österreich ein besorgniserregender Diskurs bezüglich der in Österreich lebenden Menschen mit Migrationshintergrund und insbesondere der Muslime entwickelt. Der Antidiskriminierungsausschuss des Europarats (ECRI) zeigt sich in seinem kürzlich veröffentlichten Bericht besorgt über den zunehmend islamfeindlichen öffentlichen Diskurs in Österreich und übt scharfe Kritik an der Bundesregierung. „Dass gerade jene Teile des Regierungsprogramms, die sich mit der Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung beschäftigen, nun in der Umsetzung der ursprünglich als „Dokumentationsstelle für Antisemitismus, den religiös motivierten politischen Extremismus und Rassismus im 21. Jahrhundert“ geplanten Stelle ausgespart bleiben, torpediert die Bemühungen um ein friedliches Zusammenleben und befeuert gerade jene radikalen Gegenbewegungen, die es zu bekämpfen gilt
“, so Vural abschließend.