Der Bundesrichter Thomas Fischer weist die Kritik, muslimische Täter würden einen „Kulturellen Rabatt für Ehrenmorde“ erhalten zurück. Die deutsche Justiz sieht keine privilegierte Urteilsfindung für „Migranten“ vor. Eine genaue Untersuchung der Umstände eines Angeklagten sei vor Gericht gängige Praxis.
Der Bundesrichter Thomas Fischer sorgt in der zuletzt sehr kontrovers geführten Debatte über einen angeblichen „Islam-Rabatt“ für muslimische Angeklagte, durch einen Kommentar in der Wochenzeitung die Zeit für Klarheit.
Angestoßen wurde die Diskussion durch einen Artikel in der Frankfurter Allgemeine Zeitung über ein als zu milde empfundenes Urteil des Landgerichts Wiesbaden gegen einen Deutsch-Afghanen, der seine schwangere Freundin ermordete. Der Angeklagte wurde zwar zu lebenslanger Haft verurteilt, jedoch ohne dass das Gericht eine Schwere der Schuld feststellte. Dies bedeutet, dass der Täter nach 15 Jahren Haft wieder auf freiem Fuß sein könnte. Das Gericht hatte in der Urteilsbegründung erklärt, der Täter habe sich „aufgrund seiner kulturellen und religiösen Herkunft in einer Zwangslage befunden.“ „Kultureller Rabatt für Ehrenmord“ lautete dann die Schlagzeile des Artikels in der FAZ.
„Bonus für Fremde“ existiert nicht
Dies weist Bundesrichter Thomas Fischer entschieden zurück. Ein angeblicher „Bonus für Fremde“ existiere in der deutschen Strafjustiz nicht. Ganz im Gegenteil. „Fremde haben bei uns vielmehr- wie überall sonst- erhebliche Nachteile zu erwarten“, stellt er fest. Eine These, die auch durch eine Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg bestätigt wird. Darin kommt die Forscherin Julia Kasselt zu dem Schluss, dass „Ehrenmörder“ im Vergleich zu Partnermördern nicht milder, sondern strenger verurteilt werden. Das Fazit der Forscherin, die 78 Fälle zwischen 1996 – 2005 ausgewertet hat, lautet: „Die Justiz gibt Ehrenmördern keinen ‘kulturellen Rabatt’.“
Der Richter stellt darüber hinaus klar, dass eine genaue Untersuchung und Beurteilung des Einzelfalls ein wichtiges Element unserer Verfassung und gängige Praxis in der Justiz, unabhängig vom kulturellen Hintergrund der Angeklagten, sei. „Sie ist kein Privileg bestimmter Bevölkerungsgruppen. Sie wird von hier geborenen Beschuldigten, deren Besonderheiten oft viel weniger gravierend sind, regelmäßig reklamiert und von den Gerichten auch anerkannt, beispielsweise wenn der Täter vom Opfer vorher massiv provoziert wurde. Es geht also nicht um die Privilegierung oder die Unterdrückung von Systemen der Weltanschauung, sondern um die Anerkennung unseres Rechtssystems als Basis eines freien, gleichberechtigten Lebens.“, erklärt Fischer in seinem Kommentar.