Beim Halle-Prozess übt eine Überlebende scharfe Kritik an den Beamten aus. Ihr Umgang sei für die Betroffenen ein zweites Trauma gewesen.
Beim Prozess um den rechtsterroristischen Anschlag von Halle hat eine weitere Überlebende aus der Synagoge den Umgang der Polizei mit den Opfern beklagt. Die Beamten seien „unsensibel und fahrlässig“ mit den Überlebenden umgegangen, sagte die 30-Jährige am Mittwoch in Magdeburg. Der Umgang sei für viele Betroffene nach dem Anschlag ein zweites Trauma gewesen, sagte die Doktorandin. Die Polizisten hatten laut den Zeugen so gut wie keine Ahnung von jüdischen Traditionen, wären von den Überlebenden genervt gewesen und hätten sich nicht um deren Belange gekümmert.
Der Grünen-Rechtsexperte Sebastian Striegel, der den Prozess im Auftrag des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtags beobachtet, kündigte an, das Thema mit in den Ausschuss zu nehmen. Das Gremium werde das Vorgehen der Polizei genau untersuchen, sagte Striegel der Deutschen Presse-Agentur.
Vor dem Oberlandesgericht Naumburg läuft seit dem 21. Juli der Prozess gegen den Sachsen-Anhalter Stephan Balliet. Die Verhandlung findet aus Platzgründen im Landgericht Magdeburg statt. Der 28 Jahre alte Angeklagte hatte zu Prozessbeginn eingeräumt, am 9. Oktober 2019 schwer bewaffnet versucht zu haben, in der Synagoge von Halle ein Massaker anzurichten. Dort feierten 52 Menschen den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur.
Stephan B. wollte ursprünglich Moscheen angreifen. Erst später habe er seine Pläne geändert und die Synagoge als Ziel gewählt. Nachdem er nicht in die Synagoge gelangt war, sei er einfach die Straße herunter gefahren und bei der ersten Gelegenheit, einem Dönerimbiss, ausgestiegen. Dort erschoss er dann den 20-Jährigen. Schlussendlich tötete er keine Juden und keine Muslime, das sei überhaupt nicht der Plan gewesen.
Die 30-Jährige kritisierte am Mittwoch auch andere Behörden. So warf sie dem Gericht vor, die Sprache des Angeklagten zu reproduzieren und sich auch nicht mit dem Judentum auszukennen. Insgesamt habe der deutsche Staat sich kaum um die Überlebenden gekümmert und würde diese nun auch nicht bei der Teilnahme am Prozess unterstützen. Auch befürchte sie, dass die deutsche Gesellschaft noch immer nicht einsehe, dass es einen historisch gewachsenen Antisemitismus in Deutschland gebe.
Wie schon die Überlebenden vor ihr lobte die Frau ausdrücklich das Verhalten des Personals des Krankenhauses, in das die Menschen aus der Synagoge nach dem Anschlag gebracht worden waren. Erst dort habe sie sich sicher gefühlt. „Die einzig positive Erinnerung die ich an diesen Tag habe, ist das Krankenhaus.“ (dpa, iQ)