Sachsen ist wiederholt als vermeintliche Hochburg der Rechtsextremen in die Schlagzeilen geraten. Experten haben das nun in einem Buch beleuchtet – und sehen das Phänomen eher als Ostproblem.
Sachsen kann nach Ansicht von Wissenschaftlern nicht uneingeschränkt als Hochburg des Rechtsextremismus gesehen werden. Das ist das Ergebnis eines am Freitag in Dresden vorgestellten Buchprojektes unter dem Titel „Sachsen – eine Hochburg des Rechtsextremismus?“. In verschiedenen Beiträgen untersuchen Experten etwa Wahlverhalten, Einstellungen, militante Szenen und Protestkulturen von Menschen im Freistaat. „Immer wieder wird Sachsen mit radikalem Rechtspopulismus verbunden“, sagte Mitherausgeber Steffen Kailitz vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden.
Das sei kein neues Phänomen, sondern bereits seit der deutschen Einheit ein Thema, erklärte Kailitz. Zugleich nehme Sachsen keine Sonderrolle ein und unterscheide sich kaum von den Einstellungen in anderen Ost-Bundesländern.
„Bei den rechtsextremistischen Einstellungen in der Bevölkerung lässt sich nach den Ergebnissen von Gert Pickel und Alexander Yendell kein nennenswerter Unterschied bezüglich der Verbreitung in Sachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern ausmachen“, sagte etwa Maximilian Kreter, Doktorand am Hannah-Arendt-Institut. Ein Spezifikum stelle aber die größere Verbreitung von Islamfeindlichkeit dar. Dies gelte jedoch für alle Ost-Länder.
„Über die meisten Phänomenbereiche hinweg tritt eine Ost-West-Differenz markant hervor: So waren NPD und AfD im Osten nach der deutschen Einheit weit erfolgreicher als im Westen“, beschrieb Kreter ein zentrales Ergebnis des Bandes. Die AfD sei in Ostdeutschland nicht nur erfolgreicher, sondern auch weit radikaler: „Dies deutet darauf hin, dass der Boden für rechtsextreme Parolen hier fruchtbarer ist.“
Laut Studie tritt Sachsen als Hochburg des Rechtsextremismus im Kern nur im Vergleich mit den westlichen Bundesländern hervor. Im Vergleich zu anderen der östlichen Länder rage Sachsen keinesfalls hervor – unter anderem beim Thema rechtsmotivierte Gewalt, so Mitherausgeber Uwe Backes. Die Situation in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen unterscheide sich beim Blick auf den Rechtsextremismus kaum von jener in Sachsen.
Eine Besonderheit sieht die Publikation jedoch mit Blick auf Dresden und die islam- und ausländerfeindliche Pegida-Bewegung. Pegida und die Wahlerfolge der sächsischen AfD bewirken demnach, dass Dresden in der rechtsextremen Szene inzwischen als „Hauptstadt der patriotischen Bewegung“ angesehen werde: Dies führe in einem Pull-Effekt dazu, dass sich rechtsextremistische Szeneaktivisten verstärkt in Dresden und Sachsen engagieren.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bezeichnete bei der Podiumsdiskussion am Freitag Rechtsextremismus als „drängendes Problem“. Immer wieder könne man sehen, dass Worten Taten folgten – zuletzt bei dem Attentat in Halle, sagte der Regierungschef. Es sei daher wichtig, sich mit dem Thema Rechtsextremismus wissenschaftlich auseinanderzusetzen und Erklärungen zu liefern, betonte Kretschmer. Zugleich warnte er vor einer Vorverurteilung: „Es geht darum, bittere Wahrheiten zu diskutieren und auszusprechen, ohne ein schnelles Urteil zu fällen.“ (dpa, iQ)