Filmkritik

Filmsehen – eine muslimische Perspektive

Filme dienen vor allem der Unterhaltung. Aber sie inspirieren auch Menschen und ermöglichen einen anderen Blickwinkel. Recep Yılkın blickt aus muslimischer Perspektive auf den Film „Click“.

02
11
2020
0
Plakat Film - Click
Plakat Film - Click

Einen Film zu sehen ist oft ein Erlebnis. Anders als bei Büchern oder Texten. In Büchern taucht man in das Geschehen selbst ein. Beim Film ist es genau andersrum: Der Film taucht in den Zuschauer ein. Man lebt den Film. In diesem Moment existiert die Welt um einen herum nicht mehr. Der Film wird für diesen Moment zur Realität. Freude, Trauer, Mut und Hoffnung sind nur einige Emotionen, die man währenddessen spürt.

Viele sehen gerne Filme. Auch mehrfach dieselben. Das ist nicht weiter schlimm, denn manche bevorzugen es, „gute Filme“ zu sehen, statt einen neuen unbekannten schlechten. Aber das ist natürlich Geschmackssache und hängt von der subjektiven Wahrnehmung des einzelnen ab. Man muss auch kein Experte sein, um über Filme zu sprechen. Jeder Mensch hat eine andere Sozialisation, ein unterschiedliches Bewusstsein. Jeder nimmt etwas anderes mit. Manche weniger, mache mehr.

In dem Film „Click“ geht es um einen Mann, gespielt von Adam Sandler, der glücklich verheiratet ist und zwei kleine Kinder hat. Einen Jungen und ein Mädchen. Der Vater und Ehemann arbeitet hart und möchte beruflich aufsteigen. Er investiert viel Zeit in die Arbeit. Manchmal mehr als in die Familie. Er sagt, dass er all das nur tue, damit es seiner Familie besser gehe. Obwohl ihn seine Frau mehrfach darauf anspricht, dass es wichtiger ist, lieber die Aufmerksamkeit von dem Vater und Ehemann zu haben.

Eines Tages bekommt der Mann eine Fernbedienung von einer mysteriösen Person. Eine „Universal-Fernbedienung“. Damit kann er alles um sich herum lauter und leiser stellen. Nicht nur elektronische Geräte, sondern auch sein Leben. Etwa die Zeit langsamer oder schneller laufen lassen. Also „vorspulen“.

Schnell lässt er sich davon verführen und spult die von ihm ungeliebten Situationen immer wieder vor. Zum Beispiel die Zeit mit seinen Eltern. Lästige und nervenberaubende Arbeiten in seinem Job. Als ihm das nicht genug ist, spult er die Zeit bis zu seiner Beförderung vor. Es vergehen Jahre. Doch für ihn war es nur ein Wimpernschlag. Das sah er natürlich nicht kommen. Er wird wütend und regt sich darüber auf, warum seine Beförderung so lange dauern musste.

„Familie!“

Doch es kommt noch schlimmer. Die Fernbedienung hat eine Automatik-Funktion und lernt aus dem Verhalten seines Besitzers. Es merkt sich die Situationen, die Adam Sandler übersprungen hat, und aktiviert das Überspringen nun von alleine. Sandler versucht es natürlich aufzuhalten, doch es ist zu spät. Er geht nach Hause und sieht seine größer gewordenen Kinder. Er bricht in Tränen aus. Im nächsten Augenblick aktiviert sich erneut der „Auto-Pilot“ und es vergehen wieder einige Jahre. Nun geht alles ganz schnell. Seine Kinder sind erwachsen. Sein Vater ist verstorben. Es zerbricht ihm das Herz. Die Zeit ist verflogen. Kurz darauf findet er sich auf der Hochzeit seines Sohnes wieder. Vor Trauer aber auch etwas Glück – seine Kinder so zu erleben – erleidet er einen Herzinfarkt. Seine Familie steht um ihn herum. Er kriegt noch kurz bevor er verstirbt ein letztes Wort aus seinem Mund: „Familie!“

Der Film erzählt eigentlich eine reale Geschichte – wenn man nicht aufpasst. Menschen geben sich der Verführung und der Täuschung hin. Unter dem Vorwand für die Familie immer mehr zu arbeiten, der Familie ein besseres Leben zu ermöglichen, ihnen mehr bieten zu können. Dann vergehen Jahre. Und man blickt zurück. War es das wert? Aber die Zeit zurückdrehen geht nicht mehr.

Die Botschaft der Sure Asr

Damit das nicht passiert, wird im Film genau dieses Bewusstsein angesprochen. Die Zeit ist etwas Kostbares. Doch die wenigsten schätzen ihn. Hier erinnert sich vielleicht mancher an eine Überlieferung des Propheten Muhammad (s): „Zwei Gaben gibt es, denen sich der Mensch nicht richtig bewusst ist. Die eine ist die Gesundheit und die andere die Zeit.“

Oft liest man die Sure Asr im Koran, in der es um „die Zeit“ geht. Doch wer versteht sie eigentlich wirklich? Wird irgendjemandem das Bewusstsein klar?

„Bei der Zeit! Der Mensch kommt bestimmt ins Verderben, außer denen, welche glauben und Gutes tun und sich gegenseitig zur Wahrheit anhalten und sich gegenseitig anhalten zur Geduld.“ (Sure Asr, 103:1-3)

Man versteht zwar, was der Koran sagt, doch das Bewusstsein, was Allah den Menschen klar machen möchte, wird nicht sofort sichtbar. Dafür bedarf es einer aktiven geistigen Anstrengung. Und manchmal bekommt man ein Geschenk, der einem eben das bewusst macht. In diesem Beispiel dieser Film.

Doch nicht zu vergessen: Der Koran war es, der überhaupt auf dieses Thema aufmerksam macht. Somit filtert der Koran einen Film. Ganz gleich, mit welcher Absicht dieser Film auch gedreht worden ist, legt sie auf eine diffuse Weise der Sure Asr und damit die Botschaft „Zeit“ aus.

Es war nur ein Traum?!

Dann wacht Adam Sandler wieder auf. Er schreit, springt und rennt vor Freude. Läuft zu seinen kleinen Kindern und drückt sie bis sie kaum noch atmen können. Es war nur ein Traum?! Oder auch nicht. Im nächsten Moment sieht er die mysteriöse Person. Sie hält etwas in der Hand. Eine „Universal-Fernbedienung“. Diesmal lehnt er die Fernbedienung ab. Er hat aus seinen Fehlern gelernt. Auch der aufmerksame Zuschauer hat daraus gelernt. Denn: Zeit vergeht. Sie ist kostbar und darf nicht verschwendet werden. Vor allem in Bezug auf die Familie sollte die Zeit sinnvoll genutzt werden. Denn sie ist das Wertvollste im Leben. Keine Arbeit der Welt vermag sich zwischen die Familie zu stellen. Diesen Fehler macht man nicht noch einmal!