Politischer Islam

Islamwissenschaftler warnt vor Pauschalverdacht gegen Muslime

Nach dem Terroranschlag will die österreichischen Regierung mit einem neuen Straftatbestand gegen den „politischen Islam“ vorgehen. Islamwissenschaftler Mathias Rohe warnt vor diesem Vorhaben.

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2020
Registrierung von Imamen
Bundesdienstflagge der Republik Österreich auf dem Parlamentsgebäude © by J Alexander Johmann auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

Der Islamwissenschaftler Mathias Rohe lehnt einen Rundumschlag in Sachen „politischen Islam“ ab. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte nach vermehrten terroristischen Anschlagen in Europa angekündigt, den „politischen Islam“ als neuen Straftatbestand einführen zu wollen. Rohe sagte am Montag im Deutschlandfunk, dieser Begriff könne nicht als Straftatbestand formuliert werden, weil er „völlig wage“ sei. Sich nur einen Extremismus herauszupicken, greife zudem zu kurz.

So solle es ein Verzeichnis aller Imame geben und terroristische Täter sollen nach dem Ende ihrer Haftstrafe in einen lebenslangen Maßnahmenvollzug kommen können. „Ich warne davor, einen Rundumschlag zu machen, der höchstwahrscheinlich nicht Bestand vor rechtsstaatlichen Maßstäben hätte“, sagte Rohe.

Der Erlanger Islamwissenschaftler plädierte zudem dafür, der weltweiten „Islamismus-Propaganda“ ein „solides muslimisches Bildungssystem“ in Deutschland entgegen zu stellen. Neben den muslimischen Gemeinden hätten der Staat und die Bildungseinrichtungen dabei eine wichtige Funktion. Es werde jetzt schon mehr und mehr ein authentischer Islam ohne Angstpädagogik angeboten – von Menschen, die in Deutschland aufgewachsen seien.

Österreichs konservativ-grüne Regierung hatte am Mittwoch umfangreiche Gesetzespläne zum Kampf gegen den Terrorismus vorgestellt. Dazu gehört laut Kurz ein neuer Straftatbestand „politischer Islam“.

IGGÖ kritisiert neues Maßnahmepaket der Regierung

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) äußerte Kritik bezüglich dem Maßnahmenpaket der Regierung. „Leider zieht es die Regierung vor dabei überhastet und ohne Einbindung von Opposition und Zivilgesellschaft vorzugehen“, zeigte sich IGGÖ-Präsident Ümit Vural in einer Mitteilung enttäuscht.

Der Terror ziele auf die Demokratie und den sozialen Frieden ab. Daher sei es aus Sicht der IGGÖ eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, diese Angriffe abzuwehren und dabei eben keine Freiheiten aufzugeben. Auch seien die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht mit der Gefahrenabwehr in Einklang zu bringen. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Mit Sorge ist zu beobachten, dass die österreichische Regierung zunehmend faschistisch agiert. Es zeugt von Doppel-Standards, dass nichts unternommen wird, wenn Moscheen angegriffen werden, aber fromme Muslime über den Kamm geschert werden, wenn ein paar Irregeleitete im missbrauchten Namen ihrer Religion Terroranschläge verüben. Die Maßnahmen der österreichischen Regierung wirft friedliche Muslime, welche im legitimen Rahmen gegen antimuslimische Karikaturen protestieren, mit Selbstjustiz verübenden Terroristen in eine Topf und unterstellt ihnen, Wegbereiter dafür zu sein. Das ist nicht nur inakzeptabel, sondern auch falsch und gefährlich. Gerade schwache Jugendliche, welche das Vorgehen ihrer Regierung mitbekommen, werden damit umso empfänglicher für Rattenfänger, deren Hintermänner finstere Pläne schmieden, in deren Hände wiederum die Regierung spielt. Wer dieses perfide Spiel nicht durchschauen will, dann gute Nacht. Möge Gott uns vor der Fitna des Dajjal schützen und das Spiel seiner Anhänger durchkreuzen.
17.11.20
18:15
Vera Praunheim sagt:
Möchte der Erlanger Universitätsmann den Islam auch politisch salonfähig haben und halten? Besonders wichtig sind ihm ja seine Forschungen und Aktivitäten zur rechtlichen Stellung des Islam in Deutschland und Europa und seine Entwicklung. Er agiert wie ein Fürsprecher des Islam und engagiert sich für ein Islamisches Recht und seine Entwicklung in der Gegenwart. Seine Lehrveranstaltungen beziehen sich primär eben auf Islamisches Recht und die Islamische Normenlehre. "Scharia-Recht" als Wort vermeidet er wohl gerne. Er warnt als Islambefürworter die österreichische Regierung. Andere Islamkritiker warnen vor einer Islamisierung Europas durch den Islam. Sie warnen vor einer falsch verstandenen Toleranz, wenn Europa Gefahr läuft, die Errungenschaften der Aufklärung langsam aufzugeben. Sollen in Zukunft islamische Normen immer mehr in den Vordergrund rücken, weil intolerante Islamanhänger immer mehr Toleranz für sich beanspruchen und einklagen wollen? Europa muß selbstbewußt und deutlich seine Werte artikulieren, auch klare Kante mit sinnvollen Migrationsgeboten zeigen. Und dazu gehört es eben auch, daß Päpste und Propheten frisch, fromm, fröhlich, frei gezeichnet und - kritisch durch den Kakao gezogen werden dürfen.
18.11.20
2:21
Johannes Disch sagt:
@Vera von Praunheim (18.11.2020, 2:21) Ich habe auch gewisse Einwände gegen die Äußerungen Rohes in diesem Artikel. Aber Mathias Rohe gehört zu den Guten und Besonnenen im Lande. Ihm Islam-Propaganda zu unterstellen wird ihm nicht gerecht. Sein Buch "Der Islam in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme" gehört zum besten, was es aktuell in deutscher Sprache zum Thema gibt. Auch propagiert er keineswegs Scharia-Recht. Rohe unterscheidet sorgfältig zwischen den religiösen Scharia-Normen und den rechtlichen. Den rechtlichen Scharia-Normen räumt er keine Geltung ein. Hier hat deutsches bzw. österreichisches Recht Vorrang, wie Rohe unmissverständlich betont. Zum Artikel: Sicher ist der Begriff "Politischer Islam" als Straftatbestand zu diffus. Aber man kann ihn durchaus enger fassen. So wäre es sinnvoll, fundamentalistische Vereine und deren Mitglieder zu beobachten und eine permanente Tätigkeit dort unter Strafe zu stellen. Ob ein lebenslanges "Imam-Register" auffällig gewordener Imame juristisch Bestand hätte, das ist allerdings fraglich. Rohe plädiert für "muslimische Bildung" als Prävention. Nichts dagegen einzuwenden. Aber man kann ja zweigleisig fahren: Bildung als Prävention und strafrechtliche Verfolgung dubioser Moschee-Vereine und deren Protagonisten. Allerdings eignen sich die etablierten islamischen Verbände für die muslimische Bildungsarbeit eher nicht, da sie alle einen konservativen bis reaktionären Islam vertreten. Das gilt für die etablierten Islamverbände in Deutschland und wojhl auch in Österreich.
19.11.20
12:24
grege sagt:
Mit der Warnung vor Stigmatisierung und Pauschalisierung versuchen diverse Muslime mit Führungs- und Lenkungsfunktion unangenenhmer Kritik aus dem Weg zu gehen. Auf Dauer schadet dieser Selbstbetrug den islamischen Verbänden selber, da sie sich mit ihrer Kritikresistenz ins Abseits manövrieren und sich damit von der Gesellschaft absondern.
19.11.20
18:55