Österreich

ZARA: „Rassismus muss nachhaltig und effektiv bekämpft werden“

Die Beratungsstelle Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit (ZARA) setzt sich für eine rassismusfreie Gesellschaft ein. Im IslamiQ-Interview sprechen wir mit ZARA über die aktuelle Lage in Österreich.

05
12
2020
ZARA
@ zara.or.at

IslamiQ: Welche Arbeit leistet ZARA, wenn jemand einen rassistischen Vorfall meldet?

ZARA: Nachdem der Vorfall geschildert wurde und gegebenenfalls ein Entlastungs- oder Stärkungsgespräch geführt wurde, gehen wir gemeinsam mit dem Mandanten mögliche rechtliche und/oder nichtrechtliche Handlungsoptionen durch. Auf Wunsch kann ZARA bei weiteren Schritten unterstützen, etwa beim Gang zu Behörden. Die ZARA-Berater arbeiten dabei immer klientenorientiert, das heißt, es wird nur das gemacht, was die Mandanten sich auch wirklich wünschen. Manche wollen zum Beispiel auch nur, dass der Fall dokumentiert wird und sichtbar gemacht wird.

IslamiQ: In den letzten 20 Jahren haben Sie insgesamt 18.090 rassistische Vorfälle dokumentiert. Die Dunkelziffer ist sicherlich viel höher.

ZARA: Eine Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte hat aufgezeigt, dass nur 14 % der direkt Betroffenen Rassismus melden – unter anderem, weil „es ständig passiert“, oder „das Melden nichts ändert“.[1] Das deckt sich auch mit dem, was unsere Mandanten in Beratungen berichten.

IslamiQ: In welchen definierten Lebensbereichen begegnen die Menschen am häufigsten Rassismus und in welcher Form?

ZARA: Die meisten rassistischen Vorfälle, die bei ZARA gemeldet werden, stehen gerade in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem Internet. Zuletzt hatte das auch den Grund, dass sich durch Covid-19 unser Alltagsleben noch viel mehr ins Internet verlagert hat. Prinzipiell sind alle Lebensbereiche von Rassismus durchwachsen, für direkt betroffene Menschen ist das eine alltägliche Erfahrung; das reicht von rassistischen Beschimpfungen über rassistische Diskriminierung beim Bewerbungsgespräch, bis zu körperlichen Übergriffen auf der Straße.

IslamiQ: In Deutschland steht die Polizei aufgrund rechter Tendenzen in der Kritik. Eine Studie zum „racial profiling“ wird vom Bundesinnenministerium abgelehnt. Wäre eine ähnliche Studie bei der Polizei in Österreich notwendig?

ZARA: Eine Studie wäre sehr sinnvoll, um aktuelles Datenmaterial zu bekommen und zu sehen, wo stärker hingeschaut werden sollte und welche Entwicklungen es gibt. In der FRA Studie „Being Black in Europe“, die 2018 veröffentlicht wurde, hat Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Staaten, was das Vertrauen in die Polizei betrifft, sehr schlecht abgeschnitten: So wurden in den letzten fünf Jahren zwei Drittel aller Befragten angehalten und fast 40 Prozent davon haben die Anhaltung als „ethnic profiling“ erlebt.

IslamiQ: Was ist anders bei Hass im Netz? Können Tatverdächtige schneller aufgesucht werden? Welche Problematiken gibt es?

ZARA: Unsere Erfahrung ist, dass sich Hassposter meist nicht hinter Decknamen verstecken und häufig aufspürbar sind. Die Problematik liegt aktuell vielmehr darin, dass es für Betroffene teuer und belastend ist, gegen Hass im Netz vorzugehen. Der aktuell vorliegende Gesetzesentwurf bringt hier deutliche Verbesserungen, indem zum Beispiel vereinfachte, kostengünstige Unterlassungsverfahren auch für Privatnachrichten ermöglicht werden und der Schutz vor Verhetzung ausgeweitet wurde.

IslamiQ: Die Einstellungen, die eher der rechten Szene zugeschrieben werden, scheinen mittlerweile auch bei Politiker von weiter links erkennbar zu werden. Was denken Sie sind die Gründe hierfür und was die Auswirkungen?

ZARA: Rassistische Strukturen sind tief in unserem System verankert. Wir alle wachsen damit auf und vielen ist das gar nicht bewusst. Daher gibt es Rassismus nicht nur rechts oder links, sondern überall. Wir können Rassismus dann erfolgreich bekämpfen, wenn wir uns dessen bewusstwerden und das anerkennen. Dieser Prozess kann unangenehm sein, aber da müssen wir durch. Und dann heißt es Verantwortung übernehmen und wirklich auch aktiv werden.

IslamiQ: Was soll mit dem Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus erreicht werden und wie kann man sich die Umsetzung vorstellen?

ZARA: Mit einem nationalen Aktionsplan könnte Rassismus endlich effektiv und nachhaltig bekämpft werden. Die aktuelle Regierung hat zwar einen Aktionsplan gegen Rassismus angekündigt, konkrete Schritte Richtung Umsetzung sind uns allerdings noch nicht bekannt. Gleichzeitig wird von der Politik das Phänomen Rassismus noch immer tabuisiert und nicht mit allen seinen Facetten wahrgenommen. Auch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Ebenen des Rassismus – wie institutionellem, strukturellen Rassismus sowie Alltagsrassismus – ist bis jetzt ausgeblieben. Und auch zu antimuslimischem Rassismus oder Antiziganismus findet sich noch nichts im Regierungsprogramm.

ZARA, aber auch viele andere Organisationen, zuletzt das Black Voices Volksbegehren, hat Forderungen aufgestellt, die in so einen Aktionsplan einfließen könnten und sollten. Es ist aber abseits der inhaltlichen Forderungen auch entscheidend, dass Experten in die Entwicklung und Formulierung der konkreten Zielsetzungen miteinbezogen werden und dass ausreichend budgetäre Mittel und Ressourcen eingeplant werden.

IslamiQ: In Österreich wird eine Dokumentationsstelle für einen sogenannten „politischen Islam“ eingerichtet. Ziel sei die Beobachtung einzelner Vereine und islamische Strukturen. Was sagt das über rassistische Strukturen in Österreich aus?

ZARA: Bezeichnenderweise wird der Diskurs rund um das Phänomen Rassismus von vielen Politikern für weitere Verallgemeinerungen und Herabwürdigungen missbraucht. Muslime werden in vielen Situationen als einheitliche Gruppe dargestellt und unter Generalverdacht gestellt. Die Schaffung der „Dokumentationsstelle für politischen Islam“ passt dementsprechend genau in dieses Framing. Gleichzeitig werden Betroffene von antimuslimischem Rassismus allein gelassen und das Phänomen oft nicht einmal benannt. An diesem Beispiel wird besonders deutlich, wie viel Arbeit noch vor uns liegt.

Das Interview führte Kübra Zorlu.

 

[1] FRA-European Union Agency for Fundamental Rights, 2018: „Second European Union Minorities and Discrimination Survey. Being Black in the EU“: https://fra.europa.eu/en/publication/2017/second-european-union-minorities-and-discrimination-survey-main-results

Leserkommentare

grege sagt:
Hier wird offenbar zwischen gutem und schlechtem Rassismus differenziert, so dass nicht die Bekämpfung von Rassismus sondern dessen Instrumentalisierung im Vordergrund steht. Rassismus, der von Bioösis praktiziert stellt demzufolge ein politische genehmes Ziel dar, während der muslimische Rassismus, der durch den politischen Islam mit generiert wird, politisch inconrrect zu sein hat und daher durch Anwendung der Rassismuskeule tabuisiert wird. Daher sollte so eine Beratungsstelle von Spenden und Fördergelder ausgeschlossen werden, damit sie sich selber entsorgt.
05.12.20
15:57
Dilaver Çelik sagt:
Die österreichische Regierung ist erwiesenermaßen selbst rassistisch und fördert Rassismus. Es macht keinen Sinn, von einer rassistischen Regierung zu verlangen, Rassismus zu bekämpfen. Dass müssen die Bürger schon selbst tun, indem sie gegen Rassismus offene Zivilcourage zeigen. Und bei der nächsten Wahl der Regierung die Quittung geben.
05.12.20
19:02
grege sagt:
Österreich hat tausende Muslime aus Bosnien und dem Kosovo als Flüchtlinge aufgenommen. Ebenso sind die türkisch stämmigen Migranten freiwillig nach Österreich gekommen. Gemäß der Logik meines Vorredners müssten die dort lebenden Muslime Masochisten sein, wenn sie sich in die Obhut eines rassistischen Regimes begeben.
06.12.20
14:00
Ute Fabel sagt:
"Die Beratungsstelle Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit (ZARA) setzt sich für eine rassismusfreie Gesellschaft ein" Schön wär´s, in der Praxis schaut es aber ganz anders aus. ZARA schüchtert durch seine Arbeit vor allem Islamkritiker ein, die vorschnell als Rassisten gebrandmarkt werden. Der Verein ZARA ist weder fähig noch willens zwischen der zu bekämpfenden Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft und der in einer pluralistischen Demokratie jedoch äußerst wichtigen und richtigen konfrontativen Auseinandersetzung mit Religionen und Weltanschauungen zu unterscheiden. Pointierte Islamkritik landet bei ZARA daher stets in der Schublade "antimuslimischer Rassismus". Dieser Propagandabegriff stammt ursprünglich aus dem Iran. Nachdem dort 1979 eine islamische Religionsdiktatur errichtet wurde, wollte man durch die Gleichsetzung von Rassismus mit Kritik am Islam diesen unantastbar machen. ZARA ließ sich zu einer PR-Marionette eines autoritär- politischen Islams instrumentalisieren, und sich damit als Anti-Rassismus-Beratungsstelle gehörig disqualifiziert.
07.12.20
10:21
Ethiker sagt:
Dilaver hat widereinmal mit all seinen Punkten Recht. Der Rassismus ist eine dem Nationalstaat förderliche Komponente, sei es für die Allokation, Einheit oder Ethnogenese. Das Konzept eines staatlich unterstützen Rassismus ist in Spanien mit der "Limpieza de sangre" 1449 in Toledo als wesentliches Merkmal neuer Bestimmungsgrundlagen erhoben worden. Diese Festsetzung entspringt einen Rassimus der stets vorhanden, Vorteile bei der Staatenbildung erreichen soll. Ausgerechnet von den sogenannten spanischen Könige, die größtenteils aus Germanischen Abstammungslinien stammten, wurde dieses Konzept auf staatlicher Ebene als gewähltes Mittel der Ordnung etabliert. Dieses "Erfolgskonzept" wirkt auch aufgrund der Lichtmetaphorik und der Dämonenzuschreibung aus dem Christentum bis zum heutigen Tage in allen Europäischen Staaten nach und hat sich als geeignetes Mittel in allen Bereichen des Staates festgesetzt, sei es latent wie in der Gesetzgebung und der Verteilung von Rechten oder sei es offensichtlich bei Büdnissen in der Fianzwirtsschaft und der Exekutive.
07.12.20
13:52
Dilaver Çelik sagt:
@grege Unterlassen Sie es, mir nachzustellen. Es reicht!
07.12.20
18:08
Ute Fabel sagt:
@ Dilaver Celik: „Die österreichische Regierung ist erwiesenermaßen selbst rassistisch und fördert Rassismus“ Die amtierende österreichische Justizministerin Alma Zadic kam während des Jugoslawienkriegs aus Bosnien als Flüchtlingskind nach Wien. Gibt es in der türkischen Regierung eigentlich Minister mit Migrationshintergrund, die keine Sunniten sind?
08.12.20
10:43
grege sagt:
Das sind keine Nachstellungen, Maßgeblich ist Ihr weinerliches und dünnhäutiges im Umgamng mit Kritik undd Widerrede.
08.12.20
11:16
Johannes Disch sagt:
@Ethiker Als wäre die islamische Welt frei von Rassismus. Rassismus und Imperilaismus sind auch Komponenten der islamischen Geschichte und Gegenwart. Im Unterschied zur islamischen Welt tut Europa aber etwas gegen den Rassismus.
08.12.20
12:02
Johannes Disch sagt:
@Ethiker (07.12.2020, 13:52) So so, der Rassismus ist dem Nationalstaat inhärent?" (Ethiker) Ein Blick in die islamische Geschichte zeigt, dass auch dem Islam Rassismus nicht fremd ist. Und im Gegensatz zur islamischen Welt hat Europa dazu gelernt und sich weiterentwickelt, hin zu Freiheit, Meneschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Sklaverei ist heute überall auf der Welt abgeschafft. Moment: fast abgeschafft. In einem der Land der Erde existiert sie aber nach wie vor: In Mauretanien -- ein islamisches Land. Erstaunlich, dass Muslime seit Jahren in Scharen in das ach so rassistische Europa fliehen. Na, vielleicht auch wieder nicht erstaunlich, wenn man sich die islamische Welt so ansieht, wo reihenweise staatliche Strukturen zusammenbrechen. "Failed States", wohin man auch sieht, verursacht durch "Gotteskrieger" (Boko Haram, etc.), die es nicht so haben mit dem Nationalstaat, sondern von einer weltumfassenden grenzenlosen islamischen "Umma" träumen. Die Opfer dieser perversen Träume landen dann als Flüchtlinge an den Küsten Europas. Und das ach so rassistische Europa nimmt sie auf. Sogar die angeblich so rassistischen Ösis tun das.
08.12.20
15:09
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