EUROPÄISCHER GERICHTSHOF

Muslime kritisieren Gutachten zum Kopftuchverbot am Arbeitsplatz

Einem EuGH-Gutachten zufolge sei ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz zulässig und stelle keine Diskriminierung dar. Muslime kritisieren das umstrittene Gutachten. 

26
02
2021
Kopftuchverbot
Symbolbild: Muslimin mit Kopftuch © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Nach einem EuGH-Gutachten zum Kopftuchverbot am Arbeitsplatz vom Donnerstag kritisieren Muslime das umstrittene Gutachten. Ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz sei dem Gutachten zufolge zulässig und stelle keine Diskriminierung dar. Scharfe Kritik kam vor allem aus den Reihen der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), für die ein Verbot des Kopftuchs am Arbeitsplatz eine massive Einschränkung der Religionsfreiheit zur Folge hätte. „Wir stehen vor einem weiteren Versuch, das muslimische Leben in Europa unmöglich zu machen“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der IGMG.

Nach Auffassung des Generalanwalts kann ein Arbeitgeber das Tragen von kleinen religiösen Zeichen durch seine Arbeitnehmer erlauben und größere – wie das Kopftuch – verbieten. „Das Gutachten des Generalanwalts ist perfide: Er möchte den Gerichtshof zu einer Entscheidung bewegen, die praktisch nur das Tragen eines Kopftuchs verbietet. Alle anderen religiösen ‚Symbole‘ hingegen blieben erlaubt“, äußert sich Altaş in einer Mitteilung. Das sei ein weiterer Versuch, mit Sonderregelungen die Religionsfreiheit von Muslimen in Europa einzuschränken.

Konkret geht es darum, dass in Deutschland bei einem solchen Verbot etwa eine „hinreichend konkrete Gefahr eines wirtschaftlichen Nachteils für den Arbeitgeber“ nachgewiesen werden muss. Grundsätzlich kann Mitarbeiterinnen das Tragen eines Kopftuchs am Arbeitsplatz jedoch verboten werden. Das am Donnerstag in Luxemburg veröffentlichte Gutachten ist für die EuGH-Richter nicht bindend, häufig folgen sie ihm aber.

Forderungen in Manier eines billigen Taschenspielers

„Wir beobachten Bestrebungen dieser Art mit großer Sorge und rufen die Richter am EuGH dazu auf, dieses Treiben mit einem unmissverständlichen Richterspruch in die Schranken zu weisen.“ Man versuche Forderungen mit Manier von billigen Taschenspieler zu erreichen: Der Generealanwalt will „eine Regelung, die den Blick auf die Größe des ‚Symbols‘ lenkt, im Ergebnis aber ausschließlich kopftuchtragende Musliminnen benachteiligt und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz aushöhlt. Das ist durchschaubar und inakzeptabel.“

Auch der Vorsitzender des Islamrats für die BRD Burhan Kesici beobachtet die Entwicklungen mit Sorge. „Die Auffassung und die Begründung des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof ist rechtlich höchst tendenziös und ist eine Absage an eine Vorstellung von gesellschaftlicher Vielfalt, in der auch Musliminnen mit Kopftüchern ihren Platz finden können. Was bleibt von einem Neutralitätsverständnis noch über, wenn es gezielt zum Nachteil von Muslimen ausgelegt werden kann?“, sagt Burhan Kesici gegenüber IslamiQ.

Leserkommentare

Vera Praunheim sagt:
Die entrüsteten Muslime sollten viel mehr Toleranz, Aufgeschlossenheit und Verständnis aufbringen, wenn hier Europa zukunftsweisende Zeichen setzen will. Auffällige Demonstrationen oder gar demonstrative Propaganda für umstrittene Religionsideologien am Arbeitsplatz sind doch eher fehl am Platz und schaden dem Gemeinwohl. Niemand möchte tiefe Religiosität oder fromme Gesinnung diskriminieren. Muslimisches Leben in Europa muß sich aber darauf einstellen, daß hier kein Platz für extremistische Koranauslegung oder fanatisierte Islamfundamentalisten ist. Mit großer Sorge mußten die Regierungen erst wieder in jüngster Zeit mehrere schlimme Anschläge aus radikalisierten Islamistenkreisen in verschiedenen Ländern - bei weltweiter medialer Beachtung - erschüttert zur Kenntnis nehmen. Somit ist es unausweichlich, daß diesen Entwicklungen entschieden entgegenzutreten ist und klare Schranken gesetzt werden müssen.Es darf auch keine Schlupflöcher geben. Auch wenn provozierende Kopfverhüllungen islamischer Ausprägung - demonstrativ an Arbeitspätzen zur Schau gestellt - noch lange keine extremistisch orientierte Gesinnung bedeuten werden, so signalisieren diese islamischen Kennzeichen doch ein gewisses Herrschaftsstreben, das dem Islam ursächlich in die Wiege gelegt ist. Islamische Präsenz mit Verhüllungsproblematik macht manchen Menschen Angst. Das ist gerade auch In Firmen und Unternehmen zu beachten. Es braucht eine klare Linie. Auffällige Religionspropaganda ist kontraproduktiv und unpassend im öffentlichen Arbeits- und Wirtschaftsleben, wo umstrittenen Religionen kein Platzrecht for ever zugestanden werden sollte. Friedlich eingestellte Muslime werden das verstehen und nicht vehement und unbelehrbar ungesunde, uniformartige Kleidervorschriften ständig in den Fokus ihres Lebens stellen und der Welt aufzwingen wollen.
26.02.21
16:07
Dilaver Çelik sagt:
Fazit: Der Kampf gegen das Kopftuchverbot geht also weiter.
26.02.21
17:53
Bea McL sagt:
Das gilt nicht nur für das Kopftuch, sondern auch für die Kippa und den Turban! Also nicht nur Musliminnen sind betroffen...
27.02.21
10:45
Johannes Disch sagt:
Meine Güte, was für eine Übertreibung,, von wegen ein Kopftuchverbot unter bestimmten Voraussetzungen würde muslimisches Leben in Europa unmöglich machen (IGMG). Es ist auch unzutreffend, dass das EuGH-Gutachten nur auf Muslime zielt. Alle großen sichtbaren Zeichen kann ein Arbeitgeber unter gewissen Umständen verbieten. Dazu zählt beispielsweise auch die Kippa.
01.03.21
9:32