Vor mehr als einem Jahr hat der Anschlag in Hanau die Menschen erschüttert. Welche Konsequenzen sollte man ziehen? Hätte die Gewalttat vielleicht verhindert werden können? Diese Fragen werden Thema im Landtag.
Die Abgeordneten im hessischen Landtag in Wiesbaden wollen am Mittwoch über mögliche Konsequenzen aus dem rassistisch motivierten Anschlag von Hanau debattieren. Regierung und Opposition hatten sich trotz monatelanger Beratungen nicht auf einen gemeinsamen Antrag einigen können. Ein 43-jähriger hatte am Abend des 19. Februars 2020 aus rassistischen Motiven neun Menschen an mehreren Orten in der Stadt im Rhein-Main-Gebiet erschossen.
SPD-Fraktionschefin Nancy Faeser hatte bereits in der vergangenen Woche als Konsequenz aus dem Anschlag von Hanau mehr Prävention und Aufklärung gefordert. „Der Rechtsextremismus ist zur größten Bedrohung für das friedliche Zusammenleben in unserem Land geworden“, sagte Faeser bei der Präsentation eines 15-Punkte-Papiers für entsprechende Maßnahmen. „Aber niemand wird als Rechtsextremist geboren, Rassismus und Menschenfeindlichkeit sind keine biologischen Veranlagungen, sondern das Ergebnis von gesellschaftlicher Prägung.“
Deswegen sei es wichtig, möglichst früh mit einer Erziehung zu Mitmenschlichkeit, Toleranz und Gewaltlosigkeit zu beginnen. Mehr Prävention in der Zukunft müsse einhergehen mit einer rückhaltlosen Aufklärung der rechtsextremistischen Gewalt- und Terrorakte der jüngsten Vergangenheit.
Bereits seit Monaten dringen die Hinterbliebenen der Anschlagsopfer auf eine lückenlose Aufklärung der Tat und ihrer Hintergründe. Den Behörden werfen sie „Versagen“ vor, während und nach der Tat. Allen voran steht für sie die Frage, warum der Täter Waffen besitzen durfte. Scharfe Kritik seitens der „Initiative 19. Februar„, in der sich mehrere Opfer-Familien zusammengeschlossen hatten, gab es aber auch etwa am polizeilichen und behördlichen Vorgehen in der Tatnacht.
Hier habe sich „eine Mischung aus Überforderung, Ignoranz bis hin zu rassistischen Verhaltensweisen“ gezeigt, heißt es in einer Stellungnahme, die auf der Homepage der Initiative veröffentlicht ist.
Verwiesen wird darin zudem auf die Kapazitätsengpässe beim Notruf des zuständigen Polizeipräsidiums Südosthessen, die Innenminister Peter Beuth (CDU) erst vor einigen Wochen eingeräumt hatte. Bemängelt wird auch der Umgang mit den Angehörigen. So hatten Hinterbliebene beklagt, sie hätten die Opfer erst nach den Obduktionen sehen dürfen und seien zuvor nicht nach ihrem Einverständnis zu diesen Maßnahmen gefragt worden.
„Politiker reden von einer ‚Zäsur nach Hanau‘, doch mit warmen Worte und leeren Versprechungen wird sich nichts verändern“, so die Familien in der Stellungnahme. Nur eine kritische und schonungslose Aufarbeitung mit konkreten Konsequenzen in der Praxis könne zukünftig rassistische Mordtaten verhindern. „Mit Anklagen und öffentlichem Druck fortzufahren, ist unser einziger Weg, um die Hanauer Morde zu einem wirklichen Einschnitt zu machen und damit eine ‚Zäsur von unten‘ zu erzwingen.“ (dpa, iQ)