Die Meldestelle „Hessen schaut hin“ registrierte 184 rechte und rassistische Vorfälle. Experten zufolge ginge man nur im „Schneckentempo“ dagegen an.
Auch wenn die Meldestelle „Hessen schaut hin“ erst seit einem Jahr besteht, wurden doch bereits 184 rechte und rassistische Vorfälle aus nahezu allen Städten und Landkreisen Hessens gemeldet. Das geht aus dem am Dienstag vorgestellten ersten Jahresbericht der Online-Pressestelle hervor. Darunter waren körperliche Angriffe, Beleidigungen und Bedrohungen, psychische Gewalt und Mobbing und politisch motivierte Sachbeschädigungen, so die bei der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank angesiedelte Beratungsstelle Response für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Hinzu kämen der rechtsterroristische Anschlag in Hanau mit neun Toten, sowie weitere 118 anonym gemeldete Vorfälle.
„Wenn Menschen damit rechnen müssen, im Alltag jeder Zeit zum Ziel von gewalttätigen Angriffen werden zu können, erschüttert das ihr Sicherheitsgefühl ungemein, ganz besonders, wenn die Taten in ihrem persönlichen Wohnumfeld auftreten“, sagte response-Leiterin Liisa Pärssinen. „Rechte und rassistische Gewalt fängt nicht erst bei Tötungsdelikten an – die in unserer Meldestatistik erfassten Fälle zeigen sehr deutlich das Spektrum der Gewalt auf, das von verbalen Attacken über Bedrohungen bis hin zu brutalen Angriffen auf Leib und Leben reicht.“
Die Meldestelle vermutet allerdings eine hohe Dunkelziffer: „Das bildet nicht die reale Welt ab. Die Fälle stellen nur den Ausschnitt dar, den wir als Beratungsstelle mitbekommen“, sagte der stellvertretende Response-Leiter Roman Jeltsch. „Wir gehen von einer wirklich hohen Zahl ungemeldeter Vorfälle aus.“
Auch auf Landesebene sei ein Paradigmenwechsel im Umgang mit Rassismus notwendig, sagte Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank. „Der Bund hat nach dem Anschlag von Hanau relativ beherzt ein Maßnahmenpaket aufgesetzt, das Land Hessen hingegen kommt nur im Schneckentempo voran.“ Wichtig sei, dass nicht nur mehr Menschen hinschauen und Vorfälle melden, sondern auch Betroffene ihr bisheriges Schweigen brechen: „Die Menschen sollten nicht akzeptieren, dass Rassismus oder Antisemitismus zu ihrem Alltag gehört.“
Eine Berliner Beratungsstelle gegen Islamfeindlichkeit hat im vergangenen Jahr 228 Beleidigungen und Bedrohungen von Muslimen registriert. Das teilte das „Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit“ am Dienstag mit.
Deutlich mehr Frauen als Männer meldeten demnach, dass sie antimuslimisch beleidigt wurden. 64 Prozent der erfassten Betroffenen seien weiblich, hieß es. 13 Prozent der Meldungen kamen von Männern, der Rest von Gruppen oder ohne Angabe des Geschlechts. In vielen Fällen seien Diskriminierungen wegen des Aussehens oder vermeintlicher Herkunft hinzugekommen.
Knapp die Hälfte der Fälle (49 Prozent) habe sich auf der Straße, in Bussen und Bahnen oder der Nachbarschaft ereignet. 16 Prozent der Meldungen betrafen demnach Kontakte beim Einkaufen, im Gesundheitswesen, mit Versicherungen oder Vermietern. Weitere Vorfälle spielten sich in Kitas, Schulen oder Universitäten ab, ebenso bei der Arbeit, bei Bewerbungen und Praktika. (dpa, iQ)