NRW hat eine neue „Kommission“ für den islamischen Religionsunterricht, bei dem auch die DITIB vertreten ist. Prompt hagelt es Kritik. Laschets Landesregierung verteidigt die Zusammenarbeit.
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) ist in Nordrhein-Westfalen nach jahrelang ausgesetzter Zusammenarbeit im „Beirat“ wieder beim Islamunterricht (IRU) an Bord. Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte vor einigen Tagen eine Kooperation mit sechs islamischen Organisationen in einem bundesweit neuartigen Kommissionsmodell angekündigt, welches den vorherigen Beirat ersetzte. Seitdem hagelt es Kritik. Die schwarz-gelbe Regierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) verteidigt die Zusammenarbeit. Die DITIB wehrt sich gegen eine „polarisierende Stimmungsmache“.
Das Gremium ist nun Ansprechpartner des Landes bei dem bekenntnisorientierten Unterricht, analog zur Beteiligung der Kirchen bei katholischer und evangelischer Religion. Als Mitglieder in der neuen Kommission wurden neben der DITIB das Bündnis Marokkanische Gemeinde (BMG), die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD), die Islamische Religionsgemeinschaft NRW (IRG NRW), die Union der Islamisch-Albanischen Zentren in Deutschland (UIAZD) sowie der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) vorgestellt. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), der Teil des alten Beirats war, ist in der Kommission nicht mehr vertreten.
Die DITIB NRW habe eigens eine Kommission innerhalb des Landesverbands für den IRU gebildet, der „weder Amtsträger eines Staates noch Angestellte der DITIB angehören“ dürften, heißt es aus dem Ministerium. Eine Satzungsänderung sei für das Land „entscheidender Faktor“ für die Zusammenarbeit gewesen.
Harsche Kritik kam von dem Grünen-Politiker Cem Özdemir, für den DITIB Teil einer hierarchischen Organisation sei, deren Zentrale in Köln der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara unterstellt sei. „Was wir brauchen, ist eine Vertretung der in Deutschland lebenden Muslime auf dem Boden des Grundgesetzes“, so Özdemir.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) hingegen verteidigt seine Landesregierung gegen wachsende Kritik an der jüngsten Vereinbarung mit der DITIB. „Jetzt hat die Schulministerin Verhandlungen geführt und Absprachen getroffen, wo DITIB sich ganz konkret festgelegt hat auf die Sachen, die für uns wichtig sind“, sagte der NRW-Innenminster.
In den Jahren zuvor hatte das Land die Kooperation mit der Türkisch-Islamischen Union vermeintlich wegen ihrer vermeintlichen Nähe zu Ankara auch im Schulbereich auf Eis gelegt. Laut Gebauer soll die DITIB jedoch zuletzt „intern, aber auch öffentlich“ eine „Staatsferne“ dargelegt haben.
Die DITIB weist Vorwürfe im Zusammenhang mit der Beteiligung am Islamunterricht „aufs Schärfste“ zurück. Kritiker redeten eine „vermeintliche Einflussnahme von ausländischen Staaten herbei, die es zu keinem Zeitpunkt gab und auch nicht geben wird“, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Mitteilung des DITIB Landesverband Düsseldorf. Die „politisch aufgeheizten Vorwürfe“ zu ihrer verfassungsgemäßen Beteiligung für den Islamunterricht seien unzutreffend. Es gebe seit Jahren „eine erstaunliche Kontinuität an Wiederholung von falschen Tatsachenbehauptungen und bereits widerlegten Vorwürfen“.
Die DITIB erreiche über ihre religiösen und sozialen Dienste, hunderttausende muslimische Bürger dieses Landes. Ihre gesellschaftliche Relevanz, die zuletzt durch die repräsentative Studie im Rahmen der Deutschen Islam Konferenz (DIK) des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ bestätigt worden sei.
Gravierend wirke bislang der Umgang von politischen Verantwortungsträgern mit den muslimischen Lebenswirklichkeiten. „Die muslimischen Gemeinschaften leisten ihren Beitrag für eine friedvolle und vielfältige Gesellschaft, für die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse muslimischer Bürgerinnen und Bürger sowie der Wahrnehmung ihrer verfassungsrechtlichen vorgesehenen Verantwortungsbereiche“, so die DITIB weiter. Trotzdem würden die muslimischen Gemeinschaften mit empirisch nicht nachweisbaren und gutachterlich widerlegten Vorwürfen regelmäßig an den Pranger gestellt, während „selbsternannte Vertreter der schweigenden Mehrheit“ nicht einmal einzelne Moscheegemeinden repräsentieren und auch sonst nur bescheidene bis gar keine religiösen Dienstleistungen anbieten. Im Gegensatz zu den tatsächlichen Vertretungen der muslimischen Gläubigen Deutschlands erhielten nicht repräsentative „Wunschpartner“ ohne Gemeinden und Gemeinschaften dabei große mediale Beachtung.
In NRW erhalten fast 22 000 Schüler IRU an 260 Schulen, von 300 Lehrkräften. Tendenz steigend. Auch viele weitere Bundesländer bieten ihn an. NRW führte im Jahr 2012 als erstes Bundesland islamischen Religionsunterricht ein – auf Basis eines verfassungsrechtlichen Provisoriums. Weil die muslimischen Verbände nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt sind, installierte der Landtag ersatzweise den Beirat, der nun ersetzt wird. (KNA, dpa, iQ)