Jährlich am 1. Juli gedenkt alle Welt an die ermordete Ägypterin Marwa El-Sherbini. Sie musste sterben, weil sie Muslimin war. Marwa wurde nur 31 Jahre alt.
Marwa El-Sherbini wurde am Opfer eines islamfeindlichen und rechtsextremen Angriffes im Dresdner Landgericht. Die 31-jährige Pharmazeutin sollte am 1. Juli 2009 vor dem Landgericht Dresden als Zeugin aussagen. Der spätere Täter hatte Marwa auf einem Spielplatz unter anderem wegen ihres Kopftuches beschimpft und beleidigt.
Während des Prozesses im Gerichtssaal wird sie von dem Angeklagten mit 16 Messerstichen erstochen. Ihr Ehemann, der ihr zur Hilfe eilen wollte, wird von herbeigeeilten Polizisten angeschossen und konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. El-Sherbini war zum Zeitpunkt ihrer Ermordung schwanger; das ungeborene Kind stirbt.
Die Tat löste Entsetzen in Deutschland und in der islamischen Welt Proteste aus. Der Täter wurde wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Seitdem Mord an Marwa El-Sherbini versammeln sich am 1. Juli eines jeden Jahres Vertreter der Politik, Justiz, Verwaltung und Politik sowie Muslime und andere Religionsgemeinschaften vor dem Landgericht, um Marwas zu gedenken.
Für den Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) Bekir Altaş sei der 1. Juli eine Zäsur im kollektiven Gedächtnis aller Musliminnen und Muslime. „Dieser Tag steht für antimuslimischen Rassismus jeder Art. Dieser Tag ist uns aber auch eine wichtige Mahnung“, erklärt Altaş.
Vor Gericht stand Marwa El-Sherbini, weil sie sich gegen antimuslimischen Rassismus gewehrt hatte. Sie war bereits Opfer und wurde im Landgericht ein weiteres Mal angegriffen. „Noch heute macht uns dieses Verbrechen fassungslos und versetzt uns in tiefe Trauer. Unsere Gedanken und Gebete sind bei Marwa El-Sherbini. Möge Gott ihnen Kraft und Geduld geben, das Erlebte zu verarbeiten“, so Altaş weiter.
Der 1. Juli sei der Tag gegen Islamfeindlichkeit und stehe auch stellvertretend für die „unzähligen Angriffe auf Moscheen und auch für den antimuslimischen Rassismus im Alltag“, auf der Arbeit, in der Straßenbahn an der Supermarktkasse.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat zum Gedenktag 1. Juli alle gesellschaftlichen Kräfte in Deutschland zum Widerstand gegen Islamfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus aufgerufen. Es gelte, sie „mit Herz und Verstand zu bekämpfen, denn letztlich tun wir das in unserem Land um unserer Demokratie und Freiheit willen“, sagte der Vorsitzende Aiman Mazyeck laut Mitteilung vom Mittwoch.
Am Donnerstag wird zum 12. Mal an den gewaltsamen Tod der Ägypterin Marwa El-Sherbini im Dresdner Landgericht erinnert. Auch „blutige rassistische Ereignisse“ in den Jahren danach – NSU, München, Halle, Hanau, der Anschlag auf einen Imam in Dresden – zeigten, „dass die Gefahr leider weiter real ist.“ Das Motiv sei klar. „Islamhass, Muslimfeindlichkeit und Rassismus“, sagte Mazyek.
Als Erinnerung an Marwa El-Sherbini wurde der Park vor dem Dresdner Landgericht im Dezember 2020 in „Marwa El-Sherbini-Park“ umbenannt. Den Antrag dazu hatten die Fraktionen der Linken, SPD und Grünen zur Ehrung des Andenkens an Marwa El-Sherbini eingereicht. Nach monatelanger Verzögerung aufgrund der Corona-Pandemie wurde der Antrag umgesetzt.
Im vergangenen Jahr hat es Bundesweit mindestens 901 islamfeindliche Übergriffe auf Muslime und muslimische Einrichtungen wie Moscheen in Deutschland gegeben. Behörden registrierten demnach ein Plus von knapp zwei Prozent gegenüber dem Jahr 2019 mit 884 Übergriffen. Die endgültigen Zahlen für 2020 dürften laut Experten noch höher liegen, weil erfahrungsgemäß noch etliche Nachmeldungen dazukämen und ein Großteil der Übergriffe von Betroffenen aus Scham oder Scheu vor den Behörden gar nicht erst zur Anzeige brachten.
Zu den erfassten Straftaten zählen etwa Hetze gegen Muslime oder muslimische Flüchtlinge im Netz (sogenannte Hasskommentare), Drohbriefe und Angriffe auf Kopftuch tragende Frauen oder erkennbar muslimische Männer auf der Straße. (dpa, iQ)