Am 17. August 2017 begann die brutale Vertreibung von mehr als 700.000 muslimischen Rohingya durch die Armee von Myanmar nach Bangladesch. Die 600.000 Verbliebenen sind weiter eine rechtlose ethnisch-religiöse Minderheit.
Im Juni sorgte die im Untergrund agierende „Regierung der nationalen Einheit“ (NUG) der Opposition von Myanmar mit dem Versprechen, den Rohingya die volle Staatsbürgerschaft zu geben, für eine Sensation. Mehr noch, die NUG beging mit Nennung der Rohingya bei ihrem Namen einen historischen Tabubruch, gelten die muslimische Rohingya doch offiziell nicht als eine der in der Verfassung aufgeführten einheimischen Gruppen von Myanmar, sondern als „Bengali“ genannte illegale Einwanderer aus Bangladesch. Und: Der NUG gehören viele Politiker der Nationalen Liga für Demokratie (NKD) von Staatsrätin Aung San Suu Kyi an, die vor dem Putsch offen die Vertreibung der Rohingya guthießen.
Ob Menschenrechtsaktivisten, ob ausländische Diplomaten – jeder, der während der Regierung von Aung San Suu Kyi öffentlich von (muslimische) Rohingya, sprach, zog sich den Zorn der Machthaber, radikaler buddhistischer Mönche und weiter Teile der Öffentlichkeit zu. Sogar Papst Franziskus musste bei seinem Besuch in Myanmar auf eindringliche Bitte der Bischöfe auf den Begriff „Rohingya“ in seinen Predigten verzichten.
Für Myanmar-Experte David Mathieson ist die Rohingya-Erklärung der NUG jedoch kaum mehr als Symbolpolitik. „Die NUG zielt darauf ab, damit die internationale Öffentlichkeit zu beeindrucken“, sagt Mathieson telefonisch aus Chiang Mai in Thailand.
Juntachef General Min Aung Hlaing verurteilte in einem Fernseh-Interview die Erklärung der NUG: „Es gibt keine Rohingya. Das ist ein imaginärer Name.“ Schwerer noch wiegt die scharfe Ablehnung der NUG-Erklärung durch Organisationen und Parteien der buddhistischen Mehrheitsethnie der Arakanesen in Rakhine. Die NUG verzerre mit ihrer Erklärung die Geschichte des einstmals Arakan genannten Rakhine, warnten diese Gruppen.
Während es in den meisten Regionen Myanmars seit dem Putsch vom 1. Februar täglich zu Protestaktionen gegen die Militärjunta kommt und die Armee in Gebieten ethnischer Minderheiten gegen deren Milizen einen Bürgerkrieg führt, ist es in Rakhine relativ ruhig. Das liegt an der buddhistischen Miliz „Arakan Army“ (AA), deren ultimatives Ziel die Wiederherstellung der Unabhängigkeit von Rakhine ist, das bis zur Eroberung durch das Königreich Birma die unabhängige Monarchie Arakan war.
Der Februar-Putsch stößt bei der Mehrheit der Bürger Myanmars auf Ablehnung, und das Versagen bei der Corona-Politik verstärkt die Wut auf die Generäle. „Sobald Covid-19 unter Kontrolle ist, wird die Gewalt in Myanmar zunehmen“, befürchtet Mathieson. „Myanmar wird auf Monate, vielleicht gar auf Jahre hin von Konflikten und Instabilität geprägt sein.“
Für die muslimische Rohingya in Rakhine verheißt das nichts Gutes. An eine Rückkehr der Menschen aus den Flüchtlingslagern in Bangladesch ist nicht zu denken. (KNA, iQ)