Rassismus

Rassismusdebatte treibt Markennamen-Änderung

Alte Markennamen, die als anrüchig empfunden werden, verschwinden. Firmen müssten in der Rassismusdebatte Farbe bekennen, sagt ein Experte.

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08
2021
Symbolbild: Stiftung, Vertrag © shutterstock
Symbolbild: Stiftung, Vertrag © shutterstock

Im Zuge der Rassismus-Debatte durchforstet jetzt auch der weltgrößte Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé seine Produktpalette, um anstößige Namen zu tilgen. In Deutschland wurde aus dem Bahlsen-Keks Afrika gerade Perpetum, bei Knorr aus der „Z*sauce“ „Paprikasauce Ungarische Art“. Die deutschen Firmen wehrten sich erst dagegen, etablierte Produktnamen zu ändern, ehe sie nachgaben. War das richtig, wie Wissenschaft und Werbebranche fast einhellig sagen, oder hat der Markensoziologe Oliver Errichiello recht?

„Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen“

„Große Unternehmen haben unfassbare Angst, auf dem Feld der öffentlichen Meinung zur Schlachtbank geführt zu werden“, sagt der Direktor an der privaten Europäische Medien- und Business-Akademie (EMBA) in Hamburg. „Aber es gibt keine Marke, die wegen unethischen Auftretens eingebrochen wäre. Das kann man traurig finden, aber de facto ist es ein Indiz, dass die Menschen von Unternehmen nur begrenzt ethische Grundhaltung über das Normale hinaus verlangen.“

Ethisches Auftreten, das heißt in der Werbebranche „purpose“, also Haltung. „Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen, sie müssen ein Stück auch die Gesellschaft besser machen und Wegbereiter des Wandels werden, sagt Markenstratege Lars Kreyenhagen von der Agentur Karl Anders, ein «Studio für Branding, Campaigns und Design!. Das dürfe aber nicht bei der Namensänderung aufhören. Firmen müssten auch im eigenen Hause schauen, wo noch rassistische Vorurteile vorhanden seien und sie beseitigen. „Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen, sie müssen ein Stück auch die Gesellschaft besser machen und Wegbereiter des Wandels werden“, sagt er.

Black-Lives-Matter-Bewegung

Für Errichiello ist dagegen mehr Fokus auf Haltung statt Qualität „das wirtschaftliche Resultat eines Zeitgeists, der konkrete Leistungserbringung zugunsten von abstrakten Lifestyle-Ideen entwertet – Sinn statt Gier.“

Die Black-Lives-Matter-Bewegung mit Protesten gegen die Diskriminierung von Menschen mit anderer als weißer Hauptfarbe und die Ermordung von George Floyd in US-Polizeigewahrsam haben die Debatten beflügelt.

Pepsico machte vergangenes Jahr mit seiner Marke „Aunt Jemima  (Tante Jemima) Schluss. Jahrzehntelang wurde mit dem Logo einer rundlichen schwarzen Frau mit Kopftuch für Frühstückspfannkuchen und Sirup geworben. Das Bild erinnerte an die gutmütige Haussklavin Mammy im Film „Vom Winde verweht“: Sie war stets um das Wohl der weißen Herrschaft bemüht. Das Film spielte allerdings nicht im 21. Jahrhundert, sondern im amerikanischen Bürgerkrieg in den 1860er Jahren. Dieses Bild entspreche nicht den Grundwerten der Marke, hieß es bei Pepsico. Die Marke heißt nun „Pearl Milling Company“.

Rassistische Sprache beizubehalten, zementiere Klischees und bestärke damit verbundene negative Einstellungen, sagt Andrea Geier, Germanistin an der Universität Trier, die zu rassistischer Darstellungstradition forscht. „Ein veränderter Markenname ist also ein Signal, dass man nicht Teil eines solchen Alltagsrassismus sein möchte.“ Eine Namensänderung sei für Unternehmen eine Chance: „Die Firmen bekommen ja Rückmeldung auf solche Aktionen, auch von Leuten, die das unnötig finden. Das gibt ihnen die Chance, in Fragen, die die Gesellschaft bewegen, klar Stellung zu beziehen“, sagt Geier.

Viele Beispiele für Namensänderungen

Es gibt viele Beispiele für Namensänderungen: Aus der Eiscreme „Eskimo Pie“ wurde in den USA „Edy’s Pie“, aus Nestlés „Red Skin“ (Indianer)-Lutscher in Australien ein „Red Ripper -Lutscher. Uncle Ben’s Reis soll Ben’s Original werden. Das Bild des schwarzen „Onkels“, der für den Reis warb, soll verschwinden. Wie bei „Tante Jemima“ gilt „Onkel“ Ben als herabwürdigend. Die Marke habe den Ehrgeiz, „eine inklusivere Zukunft zu schaffen“, teilte sie mit.

Errichiello findet eine Änderung von Markennamen und Logo riskant. Damit könne eine Präsenz in den Köpfen der Verbraucher zerstört werden, die über Jahrzehnte aufgebaut worden sei. Kreyenhagen räumt so ein Risiko ein. „Aber die wenigen, die sich beschweren, wenn man etwa die Z-Sauce umbenennt, sind nichts gegen die vielen, die Beifall klatschen. Die Chance, mit Haltung mehr Menschen zu erreichen, ist größer als das Risiko.“ (dpa/iQ)

Leserkommentare

Ethiker sagt:
Die rassistischen Handlungen waren und sind nur möglich, weil man es tuen konnte und sich niemand wehrte. Nun ist man in einer inklusiven Welt auf Potentiale angewießen und versucht das Boot hastig aber doch nur scheinbar umzulenken. Dies ist bereits zu spät, den der Kuchen ist schon ungerecht aufgeteilt und verspeißt worden. Jeder Mensch der sich seiner Entwicklung und Umgebung bewusst ist, weiß um die Effekte die Rassismus entfaltet hat. Es ist die Unfreiheit zu leben im Nutzen von Nutznießern, die gerade deshalb an einer rassistischen Ordnung interessiert sind. Ohne Rassismus keine Rechtfertigung der vermeindlich eigenen höheren Existenz, keine Ordnung und kein lebenswertes Leben.
18.08.21
13:44
Johannes Disch sagt:
Das ist unsinniger moralischer Rigorismus. Sprache ist nicht die Ursache für gesellschaftliche Probleme und auch nicht die Lösung. Man macht aus einem Rassisten keinen Anti-Rassisten, nur weil man ihm das "N-Wort" verbietet. Beim "N-Wort" wird die tatsächliche Ausschreibung und Aussprache automatisch mitgedacht. Man weiß, was damit gemeint ist. Es ändert sich durch diese linguistische Kosemetik überhaupt nichts. Völlig absurd wird es bei der "Paprikasauce ungarischer Art." Diese ist eben nicht gleichbedeutend mit der "Z-Sauce." Dieses Beispiel zeigt einfach nur kulinarischen Dilettantismus.
19.08.21
8:29
Vera sagt:
Von der englischen Schriftstellerin Enid Blyton (1897-1968) mit über 600 Millionen verkauften Büchern habe ich eine deutsche Buchausgabe aus den 1960-er Jahren mit dem Titel "5 Freunde und ein Zigeunermädchen". Neuere Buchausgaben tragen stattdessen den Titel "5 Freunde und die wilde Jo". Sollte ich jetzt auf dem Cover und im Buch überall das genannte Mädchenwort einschwärzen oder tilgen? Wären dann alle Rassismusdebatten-Experten mit Anhang zufrieden? Müssen jetzt alle Buch-Besitzer Verantwortung übernehmen und ihre Büchersammlung durchforsten und Verantwortung übernehmen, indem sie anrüchige Bücher am besten entsorgen oder verbrennen? Vielleicht könnten hier auch Bücherlisten über anrüchige Bücher veröffentlicht werden, Gibt es übrigens auch nicht mehr akzeptable Bücher aus dem islamischen Kulturkreis?
20.08.21
2:56
Johannes Disch sagt:
Hier ist ein neues Jakobinertum mit inquisitorischem Eifer am Werk. Man scheut nicht einmal davor zurück, Klassiker der Weltliteratur zu zensieren und zu fälschen. Man ist offenbar nicht mehr in der Lage, Bücher als Produkte ihrer Zeit zu verstehen. Wollten wir alle abendländischen Kunstwerke dem aktuellen Zeitgeist anpassen, dann müssten wir Skulpturen und Gemälde verhängen und Bücher schwärzen. Nun, dieser unselige PC-Zeitgeist wird vorübergehen. Sprache wandelt sich. Aber das geschieht organisch in einem gesellschaftlichen Prozess. Ein Wandel der Sprache lässt sich nicht von oben herab verordnen. Zudem erweisen solche selbst ernannten linguistischen Sittenwächter ihrer Sache einen Bärendienst. Das alles stärkt nämlich nur die Rechte, die überzeugt sagen kann: Wir verteidigen die Rede- und Meinungsfreiheit. Bei uns wird noch gesprochen, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Für Trump & Fans ist diese bescheuerte Markennamen-Debatte eine Steilvorlage. Bessere Wahlkampfhilfe für die Rechten kann man kaum leisten.
22.08.21
14:53