In Krefeld fand der erste „Tag des christlich-islamischen Dialogs“ statt. Ein vielfältiges und buntes Programm wurde den Besuchern dargeboten. Politiker, Kirchen und Muslime haben die Gemeinsamkeiten beschworen.
Etwa 1.200 Menschen sind am Samstag (10.05.2014) beim bundesweit ersten „Tag des christlich-islamischen Dialogs“ in Krefeld zusammengekommen. Auf dem Programm des Begegnungstags standen 60 Veranstaltungen, darunter Podiumsdiskussionen, Workshops, Koran-Bibel-Meditationen, ein multireligiöses Gebet und eine Show zum Abschluss. Eine „Reise des Dialogs“ führte zu vier Krefelder Moscheen und drei christlichen Kirchen. Bereits mehrere Wochen zuvor hatten Muslime und Christen einen „Wald des christlich-islamischen Dialogs“ gepflanzt.
Die stellvertretende nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne) sprach zum Auftakt am Samstag von einer längst überfälligen Veranstaltung. „Die Gemeinsamkeiten und der Austausch über Religionen sind ein wichtiger Baustein zum Funktionieren unserer Gesellschaft“, sagte Löhrmann. Krefelds Oberbürgermeister Gregor Kathstede (CDU) ergänzte: „Wir brauchen hier wie überall noch viele Brücken, damit Barrieren aus Unwissenheit und natürlicher Skepsis gegenüber dem Unbekannten überwunden werden können.“
Die Skekpsis von Bürgern gegenüber Moscheebauten analysierte im Workshop „Moscheebau – Lernen aus Konflikten“ Christoph Hohage von der Fachhochschule Dortmund. Er zeigte auf, welche Reaktionen Moscheebauprojekte zwischen Dortmund, Köln und München im vergangenen Jahrzehnt ausgelöst haben. Gerade dort, wo konkurrierende Moscheevereine verschiedene Großbauten in unmittelbarer Nähe errichten wollten, erklärte der Wissenschaftler, könne es zu Konflikten und Überfremdungsängsten bei der deutschen Bevölkerung kommen.
Weniger um harte Dialogarbeit als um Einstellungen im Kopf ging es beim Mitmach-Forum „Ebru-Malerei“. Die 45-jährige Sevim Öztürk leitete Gäste an, nach osmanischer Technik Naturfarben in einem Bindemittel aus Meeresalgen zu mischen und später persönliche Gefühle auf kostbarem Papier auszudrücken. Was das mit christlich-islamischen Dialog zu tun hat? Oztürk erklärt es so: „Jeder hat ein Recht auf Gefühle und Leben. Solche Gefühle zu zeigen ist ein erster Schritt hin zu Allah und Gott.“
Gleich nebenan sangen Grundschulkinder der Krefelder Regenbogenschule „Danke für diesen guten Morgen“ auf Deutsch und Türkisch. „Unser Weg zum Dialog“, erläutert Schulleiter Alfred Kuhn, „war nicht leicht.“ Rund zehn Jahre habe es gedauert, bis Lernen, Feiern und vier jährliche Gebete im Jahreskreis zum Alltag der multi-nationalen Schule mit 60 Prozent Zuwandererkindern gehörten. Kuhn weiß: Dialog muss man sorgsam anbahnen, Gelegenheiten dann aber entschlossen bei den Hörnern packen. „Erst unsere Begegnung in der Moschee hat den Religionen an unserer Schule gegenseitig Türen eröffnet.“
Passend dazu betonte der Aachener Weihbischof Johannes Bündgens Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimen im alltäglichen Zusammenleben. Sie alle seien mehrheitlich ausgerichtet auf „Frieden, die Ordnung des Grundgesetzes und die im Glauben verankerte Überzeugung von der Menschenwürde und den Menschenrechten“. Dies zeige sich in ganz unterschiedlichen Bereichen, etwa in der Altenpflege, der Kita-Erziehung, der Bildungsarbeit und im Glaubensleben.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, warb für eine offene Diskussionskultur zwischen Christen und Muslimen. Die Zusammenarbeit der Religionen sei keineswegs von Blauäugigkeit oder einer „Friede, Freude, Eierkuchen-Mentalität“ geprägt. Mazyek bezeichnete den Dialog als „konsequente Begegnungsarbeit“ und sozialen Kitt, „der unsere Gesellschaft zusammenhält“. Für den Dialog setzte sich der ZMD-Chef an diesem Tag auch körperlich ein. Auf der Bühne zeigte Mazyek einen für muslimische Funktionäre seltenen Handstand.
Der Sprecher des Koordinationsrates der Muslime (KRM), Ali Kızılkaya, bekräftigte, dass der Dialog zwischen Christen und Muslimen besonders auf lokaler Ebene vertieft werden müsse. Nur gemeinsam könne man Vorurteilen und einer Spaltung der Gesellschaft entgegen wirken.
Veranstaltet wurde der Tag von der Christlich-Islamischen Gesellschaft (CIG) in Kooperation mit den fünf katholischen Bistümern in Nordrhein-Westfalen, der rheinischen und westfälischen Landeskirche sowie muslimischen Verbänden und Gemeinschaften. Die Schirmherrschaft hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) übernommen. Rund ein Drittel der Muslime in Deutschland leben in Nordrhein-Westfalen.
Der Geschäftsführer der Christlich-Islamischen Gesellschaft, Thomas Lemmen, zog vor der Presse eine positive Bilanz. „Mit Kirchen und Moscheevereinen haben wir heute den Dialog nicht neu erfunden, ihn aber erstmals in diesem Umfang öffentlich gemacht.“ Das interreligiöse Gespräch voranzubringen, könne aber nicht nur das Anliegen von einzelnen Organisationen oder Initiativen sein, betonte Lemmen. Gefragt seien mehr finanzielle und politische Unterstützung: „Alle sagen: ‚Dialog ist wichtig‘, aber keiner will dafür zahlen.“
Der Appell tat der guten Stimmung keinen Abbruch – genauso wenig wie der Dauerregen. Im Gegenteil: Für die vor sechs Wochen gepflanzten Eichen und Linden im „Wald des Dialogs“ war das Nass von oben ein Segen. (KNA/iQ)