Nach dem Skandal um rechtsextreme Polizei-Chats hat ein Sonderbeauftragter einen Maßnahmenkatalog vorgelegt: Bei Einstellung und Beförderung von Polizisten sollte sich einiges ändern, empfiehlt er.
Fast ein Jahr nach dem Skandal um rechtsextreme Polizei-Chats in Nordrhein-Westfalen hat der daraufhin eingesetzte Sonderbeauftragte eine Reihe von Konsequenzen empfohlen. Sein Handlungskatalog gegen rechtsextreme Orientierungen bei der Polizei umfasst 18 Punkte. Es gehe darum, der Polizei eine „Vitamin-Kur zu verpassen“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag.
Adolf Hitler, Hakenkreuze, Reichskriegsflaggen und ein Flüchtling in der Gaskammer: In mehreren Chat-Gruppen von nordrhein-westfälischen Polizisten hatten sich zuvor Abgründe aufgetan.
Der Sonderbeauftragte Uwe Reichel-Offermann berichtet in seinem Abschlussbericht, der dem Landtag vorgestellt wurde, man habe zwar zahlreiche rechtsextremistische und rassistische Äußerungen entdeckt und „leider auch“ Sexismus und Homophobie, aber keine rechtsextremistischen Netzwerke und keine Hinweise auf eine Unterwanderung der Polizei durch Rechtsextremisten.
Der Sonderbeauftragte empfahl schon bei der Personalwerbung und -auswahl anzusetzen. Die Werteorientierung der Bewerber sollte eine stärkere Rolle spielen. Notwendig sei auch eine Supervision für den Polizeidienst, in der besondere Situationen im Nachgang besprochen werden könnten. Notwendig seien auch mehr politische Bildung und Aufklärung über die Neue Rechte. So sollten sprachlich „Grundsätze des Anstands gewahrt werden“. „Der Bürger in Deutschland darf Extremist sein, der Polizist nicht“, sagte er.
Viele Polizisten hätten aus Angst verfolgt zu werden, etwa weil sie bestimmte Dinge nicht rechtzeitig angezeigt haben. Reichel-Offermann empfahl deshalb externe Experten als Ansprechstellen, „die nicht dem Strafverfolgungszwang unterliegen“. Der Sonderbeauftragte sprach sich zudem für eine andere Auswahl von Führungskräften aus. So sollte es eine Eignungsdiagnostik geben und Qualifizierungsmaßnahmen.
„Wir werden die Vorschläge diskutieren, bewerten und gegebenenfalls umsetzen“, sagte Reul. Aus dem Abschlussbericht geht hervor, dass insgesamt 273 Verfahren gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden eingeleitet wurden. Bei den ersten 50 abgeschlossenen Strafverfahren gab es aber nur in einem Fall einen Strafbefehl – in 49 Fällen wurde das Verfahren eingestellt.
Dies liege daran, dass die WhatsApp-Chats von der Justiz überwiegend als nicht-öffentliche Kommunikation und damit als nicht strafbar gewertet werden, hieß es. Konsequenzen waren eher dienstrechtlicher Natur: Sechs Kommissaranwärter waren entlassen worden. Bei den arbeitsrechtlichen Verfahren kam es zu zwei Kündigungen und drei Abmahnungen.
Kontakt zu rechtsextremen Organisationen fand man in vier Fällen, ein Mitarbeiter war Mitglied einer rechtsextremen Organisation. In den meisten Fällen entdeckten die zeitweise 200 eingesetzten Ermittler in den eigenen Reihen rassistische Äußerungen (125), gefolgt von einer Verherrlichung des Nationalsozialismus (95) und Antisemitismus (66).
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte am Donnerstag erneut die Massenabfrage von fast 13 000 Telefonnummern im Zuge der Ermittlungen. Die Datenschutzbeauftragte des Landes habe dies als rechtswidrig eingestuft.
Das Innenministerium hatte die Abfrage damit gerechtfertigt, dass lediglich kontrolliert worden sei, ob sich unter den Nummern solche befinden, die der rechten Szene zuzurechnen seien. Tatsächlich seien auch solche Kontakte entdeckt worden.
„Die Dimension und diese Abscheulichkeiten habe ich nicht für möglich gehalten“, hatte Reul damals gesagt. In den rechtsextremen Polizei-Chats seien „übelste, widerwärtigste neonazistische Hetze“ entdeckt worden.
Reichel-Offermann, zuvor Vize-Chef des NRW-Verfassungsschutzes, hatte gesagt, das gefundene Material sei „Hardcore“. Es kursiere in der rechten Szene auch nicht viel Schlimmeres. Es habe ihn überrascht, dass kein Polizist gesagt habe: „Da steige ich aus, da mache ich nicht mehr mit.“
Die Chats waren eher zufällig bei Ermittlungen wegen Geheimnisverrats ans Licht gekommen. Ein Beamter soll Fotos von Weihnachtsbaum-Kugeln mit SS-Runen und „Sieg Heil“-Aufschrift gepostet haben. Bei einem anderen Beamten waren Fotos mit einem Hakenkreuz entdeckt worden, das aus Dienstmunition gelegt worden war. Ein Polizist hatte sich in Uniform auf zwei Streifenwagen stehend fotografieren lassen, wie er den „Hitler-Gruß“ zeigt. (dpa, iQ)