Die WDR-Moderatorin Nemi El-Hassan steht vor ihrem Start bei der Wissenschaftssendung „Quarks“ in der Kritik. Es geht um antisemitische Proteste vor mehreren Jahren.
Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) setzt den geplanten Start der Moderation von Nemi El-Hassan bei der Wissenschaftssendung „Quarks“ vorerst aus. Das teilte der öffentlich-rechtliche Sender am Dienstag in Köln mit. Eigentlich hätte die 28-Jährige im November starten sollen.
Hintergrund ist das Bekanntwerden ihrer Teilnahme an einer Al-Kuds-Demo in Berlin vor mehreren Jahren. Vom WDR hieß es: „Die Vorwürfe gegen sie wiegen schwer. Es wiegt aber auch schwer, einer jungen Journalistin eine berufliche Entwicklung zu verwehren. Deshalb ist eine sorgfältige Prüfung geboten.“
Die Bild-Zeitung hatte im Kontext der neuen Aufgabe El-Hassans für den öffentlich-rechtlichen Sender von der Demo-Teilnahme in Berlin berichtet. Daraufhin hatte sich El-Hassan von der Demo distanziert und der Deutschen Presse-Agentur in einem Statement mitgeteilt: „An den Al-Kuds-Demos vor sieben Jahren in Berlin teilzunehmen, war ein Fehler.“
In dem Statement der Journalistin, Medienmacherin und Ärztin hieß es weiter zu ihrer damaligen Teilnahme: „Keinesfalls habe ich während der Demo antisemitische Parolen von mir gegeben, noch Menschen jüdischen Glaubens körperlich angegriffen.“ Während Ausschreitungen sei sie nicht zugegen gewesen.
Die Journalistin ging in ihrem Statement auch auf einen anderen Aspekt der Bild-Berichterstattung ein. Darin geht es um einen animierten Kurzfilm der Bundeszentrale für politische Bildung, in dem auch El-Hassan mitgewirkt hat und den Begriff Dschihad erläutert. Laut Statement entstand das Video im Rahmen einer Webvideo-Reihe zu „Begriffswelten Islam“ für die Bundeszentrale im Jahr 2015. El-Hassan betonte in dem Statement: „Ich relativiere in diesem Beitrag keinen Terrorismus.“ Sie verwies darauf, dass ein Videoausschnitt in sozialen Netzwerken und Medien aus dem Kontext gerissen worden sei.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, teilte am Dienstag in einem Statement mit: „Die Wogen im Fall der Journalistin Nemi El-Hassan schlagen hoch und fördern leider auch Islamfeindlichkeit zutage.“ Daher sei es jetzt wichtig, sich objektiv mit der Frage zu befassen, ob sie trotz ihrer Teilnahme an dem Marsch als WDR-Moderatorin geeignet wäre. „Der öffentlich-rechtliche Sender trägt eine hohe Verantwortung, niemanden auf dem Bildschirm zu präsentieren, der Israel-Hass und Antisemitismus verbreiten könnte.“ Dies müsse auch bei El-Hassan gesichert sein. Momentan habe man erhebliche Bedenken.
Neben der ganzen Kritik solidarisieren sich auf den sozialen Medien viele User mit Nemi El-Hassan. So wünscht ihr der Autor und Journalist Daniel Bax viel Kraft zu. „Unglaublich, wie viel Hass eine junge Frau auf sich zieht, die erfolgreich, muslimisch und palästinensisch ist und in ihrer Jugend einen Fehler gemacht hat, den sie bedauert. Ich wünsche viel Kraft.“, so Bax.
Auch der Journalist Malcolm Ohanwe solidarisiert sich mit El-Hassan. Sie jetzt fallen zu lassen, gebe „Rechten und Rassisten die Waffe des scheinheiligen Antisemitismus-Vorwurf um unliebsame PoC, Muslims und auch Juden selbst, einfach aus der Öffentlichkeit zu eliminieren, sie zu diskreditieren“, schreibt Ohanwe auf Twitter.
Bei den alljährlichen Al-Kuds-Demonstrationen in Berlin waren in der Vergangenheit immer wieder antisemitische Parolen gerufen und Symbole der pro-iranischen libanesischen Hisbollah-Bewegung gezeigt worden. Gegen die Hisbollah hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ein Betätigungsverbot erlassen. (dpa, iQ)