Rechtsextremismus

Verfassungsschutzbericht: Extremisten gewinnen an Stärke

Die Corona-Pandemie hat extremistische Umtriebe nicht bremsen können. Im Gegenteil: Die rechtsextremistische Szene hat sich aus Sicht des Verfassungsschutzes eher noch radikalisiert.

05
10
2021
Demonstration, Rassismus, Rechtsextremismus, Vorurteile
Symbolbild: Deutschland-Flagge © shutterstock, bearbeitet by iQ

Die sächsischen Sicherheitsbehörden beobachten mit großer Sorge eine zunehmende Radikalisierung der extremistischen Szene. Als größte Gefahr wird dabei der Rechtsextremismus betrachtet. „Unsere Demokratie war in jüngster Zeit noch nie so gefährdet wie aktuell“, sagte Innenminister Roland Wöller (CDU) am Dienstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts in Dresden.

Rechtsextremisten und Reichsbürger

Sowohl linke als auch rechte Ränder erstarkten. Rechtsextremisten und „Reichsbürger“ hätten Maßnahmen des Staates in der Corona-Pandemie genau wie Teile der Mitte in Frage gestellt. Rechte suchten den „Schulterschluss zur Mitte“, dort grenzten sich viele aber nicht ab.

Auch Dirk-Martin Christian, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), ging ausführlich auf die Corona-Proteste ein. Unter Querdenker hätten sich immer wieder auch Rechtsextremisten und „Reichsbürger“ gemischt. Es gebe aber keine gesicherten Anhaltspunkte dafür, dass rechtsextreme Akteure eine dominante Rolle bei Anti-Corona-Demos einnahmen. Sie seien eher Trittbrettfahrer der Proteste. Die Querdenker-Bewegung sei äußerst heterogen und lasse sich nicht in traditionelle Extremismus-Schablonen einordnen.

Der moralische Tiefpunkt dieser Protestkultur sei erreicht worden, als sich Demonstranten durch Tragen sogenannter Corona-Sterne mit den vom NS-Regime verfolgten Juden auf eine Stufe gestellt hätten, sagte Christian. Die Demonstranten empfänden sich als „Widerstandskämpfer einer Corona-Diktatur“. Es sei leider ein Faktum, dass Antisemitismus ein wesentlicher Teil der diffusen Proteste sei.

Nährboden für zunehmende Radikalisierung

Nach Einschätzung von Christian sind auch in Sachsen bei Corona- Demonstrationen zunehmend rote Linien überschritten worden. „Die Proteste dienen offenbar einer bestimmten Bevölkerungsgruppe dazu, ihrer aufgestauten Wut und ihrem Unmut auf „die da oben“ Luft zu verschaffen.“ Das sei Ausdruck eines schon länger schwelenden Misstrauens gegen politische Insitutitionen und auch Medien.

Schon seit Jahren vollziehe sich ein Prozess der politischen Entfremdung, stellte der Verfassungsschutz-Chef fest. Im Zeitalter von Social Media bekomme das noch einen Schub. Die Verbreitung von Falschinformationen sei der Nährboden für eine zunehmende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft.

Laut Christian wuchs die rechtsextreme Szene in Sachsen im Vorjahr auf 4800 Personen an (2019: 3400). Hintergrund sei die hohe Anzahl von Anhängern des AfD-„Flügels“, der seit März 2020 Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern ist. Der „Flügel“ habe sich zwar offizell aufgelöst, lebe aber als „Gesinnungsgemeinschaft“ weiter. Mindestens die Hälfte der sächsischen AfD-Mitglieder zähle dazu. Christian sprach von 1400 Leuten, darunter eine zweistellige Zahl von Mandatsträgern.  (dpa/iQ)

Leserkommentare

Vera sagt:
Zu diesem Verfassungsschutzbericht schrieb vorgestern der 'SPIEGEL' auch folgendes: "Dem islamistischen Extremismus rechnet der Verfassungsschutz in Sachsen 525 Personen zu" - bei einer Steigerung von fünf Prozent. Der Verfassungsschutz vermeldet: "Der Anstieg der letzten fünf Jahre lässt sich zudem auf Migrationsbewegungen aus dem arabischen Raum nach Sachsen zurückführen." Auch die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG) wird genannt, die sich im Sinne islamistischer Zielvorstellungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet. Die SBS versucht "extremistischen Einfluß auf die islamische Gemeinschaft zu erlangen und die mit der Doppelstrategie ('Wolf im Schafspelz'-Strategie) der MB oder der DMG einhergehenden extremistischen Ziele umzusetzen." Im Verfassungsschutzbericht ist viel die Rede vom legalistischen Islamismus und "traditionellen Verschleierungsstrategien" bzw. "Aktivitäten - verfassungskonform verschleiert". In den Verlautbarungen des Politischen Salafismus - so heißt es - werden die Anhänger und Zuhörer aufgefordert, sich an die Scharia zu halten, während gleichzeitig die freiheitliche demokratische Grundordnung - insbesondere der Rechtsstaat - abgelehnt werden. "Die Demokratie und eine säkulare Gesellschaft seien Gründe für den vermeintlichen Niedergang der islamischen Gemeinschaft (umma)." - So wird im Namen des Islam gewarnt. Der Jihadistische Salafismus wird ebenfalls erwähnt in Verbindung mit der Dresdener Anschlags- und Mordtat durch einen syrischen Staatsbürger. Alle diese Umtriebe tragen ein gefährliches Potential in sich, welches in Islamkreisen gerne durch eine rosa Brille betrachtet wird bzw. gleich ganz abgestritten wird. Die rechtsextremistische Szene und die islamextremistische Szene sind Nährböden für zunehmende Radikalisierung und geben dem Verfassungsschutz genügend Gründe, beide Extremismus-Varianten weiterhin wachsam im Auge zu behalten.
07.10.21
3:40
Salim Spohr sagt:
Salam. Als langjährig Geschädigte einer deutlich von der Politik beeinflußten, das ist, einer insoweit korrupten Behörde, sollten Muslime sich zurückhalten, deren Verlautbarungen kritiklos zu verbreiten oder gar zu loben, zumal die Willfährigkeit des Verfassungsschutzes politischer Meinung gegenüber recht eigentlich selbst eine verfassungsrechtliche Prüfung verlangt. — Das gilt, wenn nicht besonders, so doch zumindest auch für die entsprechenden Landesbehörden. Es zeigt sich inhaltlich an einer völlig verschobenen Wertung von "Rechts" und "Links" im obigen IslamiQ-Artikel. Hier rate ich, sich nicht einer neuen linkslastigen Ideologie anzugleichen, steht das konservativ ausgerichtete Abendland uns Muslimen in vielerlei Hinsicht doch viel näher als die Linke, auch wenn die zur Zeit das öffentlich gepflegte Narrativ bestimmt.
09.10.21
19:53