Nachgefragt

„Rassismus ist im Mainstream angekommen“

Autoren schreiben hunderte Seiten. Doch was passiert, wenn sie ihr Buch auf seine Essenz herunterbrechen müssen? Unsere Serie „Nachgefragt“ liefert Antworten. Heute Aladin El-Mafaalani und sein Buch „Wozu Rassismus?“.

20
10
2021
Aladin El-Mafaalani „Wozu Rassismus?“
Aladin El-Mafaalani „Wozu Rassismus?“

IslamiQ: Wem würden Sie ihr Buch gerne schenken und warum?

Aladin El-Mafaalani: Elke Heidenreich und Thomas Gottschalk, damit sie verstehen, dass es nicht schlimm ist, rassistisch zu denken, dass es aber schlimm ist, wenn sie nichts daran ändern. Dabei hilft dieses Buch.

IslamiQ: Warum ist die Thematik Ihres Buches im Lichte aktueller Debatten wichtig?

El-Mafaalani: Es gibt sehr unterschiedliche Wissensstände und unterschiedliche Grade von Betroffenheit, die Debatten werden mitunter hochemotional geführt. Das Buch erklärt die wesentlichen Dimensionen von Rassismus, und mehr Wissen erhöht die Qualität der Debatte und führt evtl. zu mehr Verständnis der unterschiedlichen Gruppen untereinander. Ich beschreibe zum Beispiel auch, dass das Diskursniveau sinkt, wenn ein Thema im Mainstream ankommt, weil Hinz und Kunz mitreden und nicht wie vorher nur Experten und Betroffene. Rassismus ist nun im Mainstream angekommen. Mein Buch könnte einen Beitrag dazu leisten, dass das Diskursniveau nicht dauerhaft leidet.

IslamiQ: „Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor.“ Warum trifft dieses Zitat von Voltaire auf Ihr Buch zu?

El-Mafaalani: Es trifft auf mein Buch weniger zu, das ist ja keine erbauliche Literatur, mir geht es weniger um die Seele (wobei ich auch nicht genau weiß, was das ist) als um den Kopf. Das Buch soll auf nicht anstrengende und unaufgeregte Weise aufklären und die Zusammenhänge erläutern. Nur am Anfang und am Ende des Buchs wird es emotional…

IslamiQ: Ihr Buch in drei Wörtern zusammengefasst?

El-Mafaalani: Drei reichen nicht. Ich brauche neun – nämlich den Untertitel: „Von der Erfindung der Menschenrassen bis zum rassismuskritischen Widerstand“

IslamiQ:  Eine spezielle Frage an Sie: Rassismus ist in der deutschen Gesellschaft tief verankert. Jedoch wird er nicht als solcher (an)erkannt. Wo müssen wir ansetzen, damit es einen Wandel gibt?

El-Mafaalani: Er wird zunehmend erkannt und als Problem gesehen, das zeigen die enormen Reaktionen nach Äußerungen wie bei „Die letzten Instanz“ oder bei LANZ. Auch in den Institutionen wird zunehmend diskutiert, und in allen gesellschaftlichen Bereichen spielt das Thema mittlerweile eine wichtige Rolle. Aber da Rassismus tief im Fundament steckt, müssen wir uns damit abfinden, dass das Erkennen noch lange nicht reicht, sondern die „Entgiftung“ noch Jahrzehnte dauern wird. Aber dennoch: Wir waren noch nie so weit wie jetzt.

Leserkommentare

Ethiker sagt:
Der Rassismus war nie weg vom Mainstream und ist Teil bewussten bzw. unbewussten Wissens sowie einer Handlungspraxis einer gemachten herrschenden Ordnung und dient der Macht- und Besitzsstandwahrung.
20.10.21
18:49
Manni sagt:
da kann man meinem Vorredner nur zustimmen. Gerade Islamisten und Terroristen bedienen sich rassistischen Gedankenguts mit dem Ziel, andere Kulturen, Religionen und Weltanschauungen gezielt zu denunzieren.
20.10.21
23:16
Emanze sagt:
Sollte nicht auch mal der Rassismus in jenen Ländern in denen der Islam Staatsreligion ist, thematisiert werden? Denn gerade in diesen Ländern werden Christen diskriminiert, verfolgt und oft sogar eingesperrt oder ermordet. Toleranz sieht anders aus. Wenn ich sehe wie brutal Andersgläubige in Ländern, in denen der Islam Staatsreligion ist, ausgegrenzt werden, erscheint mir meine Angst vor dem Islam mehr als berechtigt.
31.10.21
18:28