Das Kölner Modellprojekt für den Gebetsruf hat eine Debatte entfacht. Neben einiger Kritik gibt es auch viel Zuspruch. Doch wie blicken islamische Religionsgemeinschaften auf die Debatte?
Im Rahmen eines Modellprojekts können Kölner Moscheegemeinden beantragen, den Gebetsruf öffentlich auszurufen. Dies sei ein Zeichen des Respekts, so die Oberbürgermeisterin Kölns, Henriette Reker. Eine Sprecherin der Stadt sagte vergangenen Freitag, dass drei Moscheegemeinden Interesse bekundet hätten und Informationen eingeholt haben. Ein Antrag wurde jedoch nicht gestellt.
„Der öffentliche Gebetsruf ist von der Religionsfreiheit gedeckt. Somit hätten Moscheen auch ohne die Ankündigung der Stadt öffentlich zum Gebet rufen können“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), auf Anfrage von IslamiQ. Doch die Moscheegemeinden reagierten zurückhaltend, um den sozialen Frieden nicht zu gefährden. Denn: „Die aktuelle Debatte macht deutlich, dass Menschen teilweise mit Ängsten und Ablehnung auf die sichtbaren Zeichen islamischer Präsenz reagieren”, so Altaş weiter.
Altaş kündigt an, dass die Kölner IGMG-Moscheegemeinden zunächst intensive Gespräche mit der Stadtgesellschaft führen werden, bevor sie entscheiden, ob sie den öffentlichen Gebetsruf beantragen möchten. „Dies ist als positives Zeichen und als eine Aufforderung zu einem intensivierten Dialog und der Verständigung vor Ort zu verstehen“, so Altaş.
Auch der Vorsitzende des Islamrats Burhan Kesici äußert sich zum Gebetsruf: „Die aktuelle Debatte orientiert sich nicht nach der tiefen religiösen Bedeutung des Gebetsrufes und des Gebetes, sondern schürt Ängste vor Muslimen oder dem Islam“, erklärt Kesici. Für Kesici sei der Muezzinruf eine Einladung zum Gebet. Das Gebet wiederum sei Einkehr und gleichzeitig Ablegung von Rechenschaft vor Gott, welches das Verantwortungsgefühl des Menschen vor Gott, den Mitmenschen und der Umwelt erneuere.
Die DITIB begrüßt das auf zwei Jahre befristete Modelprojekt „Öffentlicher Gebetsruf“ der Stadt Köln. „Das ist ein Signal für Anerkennung der Muslime als ein gleichwertiger und natürlicher Teil der multireligiösen deutschen Gesellschaft“, erklärt DITIB-Generalsekretär Abdurrahman Atasoy auf Anfrage von IslamiQ. Obwohl es sich beim Gebetsruf um ein Recht im Rahmen der Religionsfreiheit handle, sei es für die DITIB sehr wichtig, die Mitbürger „zu sensibilisieren und die offenen Fragen, die durch Desinformationen in den Medien verbreitet werden, abzubauen“, erklärt Atasoy. Aus diesem Grund entscheide jede Kölner DITIB-Gemeinde für sich, ob sie den Antrag für den Gebetsruf stellt.
Momentan sei der öffentliche Gebetsruf zum Freitagsgebet in anderen Städten längst möglich und unproblematisch. Ob das Modellprojekt in Köln ein bundesweites Vorbild sein werde, werde sich laut Atasoy nach den zwei Jahren zeigen. Laut Atasoy versuchten Kritiker jedoch die Debatte um den Gebetsruf „durch Desinformation und Hetze in einer ganz anderen Richtung zu lenken“. Dies führe nur dazu, dass Moscheen zur Zielscheibe werden.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD), Aiman Mazyek, begrüßte die Initiative. „Köln sendet damit ein Zeichen der Toleranz und der Vielfalt in die Welt“, sagte Mazyek. Der Gebetsruf sei integraler Bestandteil des muslimischen Gebets und in vielen Ländern Europas oder auch in den USA schon lange eine Selbstverständlichkeit. Dieser Teil des Glaubens dürfe kein Bestandteil politischer Debatten sein, „sonst spielt man mit einer islamfeindlichen Klaviatur den Extremisten in die Hände“, warnte Mazyek.
Zuspruch erhält das Projekt auch von der Evangelischen Kirche. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat sich offen für das Modellprojekt zu Gebetsrufen in Köln gezeigt. „Das ist etwas, was man sehr stark vor Ort klären muss. Es gibt ganz unterschiedliche Kulturen interreligiösen Dialogs. Wenn das in Köln als integrativer Teil eines religiösen Lebens erlebt wird, dann ist da nichts dagegen zu sagen“, sagte der bayerische Landesbischof im Interview des „Mannheimer Morgen“.
Auch die Christlich-Muslimische Friedensinitiative (CMFD) hat die Möglichkeit eines öffentlichen Gebetsruf der Moscheegemeinden in Köln begrüßt. Der Schritt der Stadt Köln trage der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit Rechnung, heißt es in einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Erklärung. Oberbürgermeisterin Henriette Reker habe damit ein Zeichen der Akzeptanz der Religion gesetzt. Auch Bundespräsident Steinmeier habe am 25. Tag der Offenen Moschee den Wunsch ausgesprochen, „dass den Beiträgen, die Muslime aus ihrem Glauben heraus für unsere Gesellschaft erbringen, die Wertschätzung zuteilwird, die sie verdienen“. (KNA, dpa, iQ)