„Die Kunst ist frei“. Frei von Grenzen und Debatten. Muslimische Künstler nutzen diese Freiheit und machen deutlich: Wir gehören zu Deutschland. Heute mit „Ayşe in Almanland“.
IslamiQ: Kannst Du Dich vorstellen?
Aişe Akova: Ich bin „Ayşe in Almanland“, eine Cartoonistin, die zwischen den Kulturen mit Humor vermittelt, und Alltagsgeschichten über die Hürden und Herausforderungen der Migranten bzw. Muslimen in Deutschland erzählt.
IslamiQ: Was möchtest Du mit deiner Arbeit bewirken?
Akova: An erster Stelle möchte ich einfach die Menschen zum Lachen bringen, damit sie sich für den Moment entspannen können. Das schaffe ich aber nur, wenn sie sich mit den Cartoonfiguren identifizieren und sich in den Geschichten wiederfinden. Gutes Storytelling in Filmen oder auch in Cartoons begeistert und fesselt dann, wenn Emotionen vermittelt werden, und die Follower sich mit der Heldin „Ayşe in Almanland“ identifizieren können.
„Ayşe in Almanland“ möchte in der Gesellschaft ankommen und dazugehören. Sie studiert Jura und hat Träume. Gleichzeitig versucht sie den Erwartungen ihrer Familie und ihrer Religion gerecht zu werden. Das führt zu Konflikten und Hürden, die sie im Alltag meistern muss. Das ist die Realität vieler junger Muslime in Deutschland. Sie stecken oft in Konfliktsituation zwischen ihrem Alltag in der Schule, dem Studium, der Arbeit, der Familie, der Tradition, der Gesellschaft und der religiösen Gemeinschaft. Oft sind sie überfordert und stecken in Gewissenskonflikten. Dazu kommen noch Alltagsdiskriminierungen, Familienkonflikte, Emotionen und auch persönliche Entwicklungsprobleme.
In herkömmlichen Medien werden diese Konflikte kaum oder sehr verzerrt dargestellt, so dass sich junge Muslime oft nicht verstanden fühlen. In den Cartoons thematisiere ich diese Situationen auf eine humorvolle Art und Weise. Es ist eine Plattform, auf der ich diese Probleme annehme und auf der sich junge Muslime verstanden fühlen. Das sehe ich an den Kommentaren. Es macht einen großen Unterschied, dass die Probleme und Themen der Muslime aus eigenen Kreisen behandelt werden und nicht von Außenstehenden, die keinen richtigen Bezug zu ihnen haben. Die Jugendlichen merken schnell, ob man authentisch und selbstkritisch ist, oder ob sich jemand nur lustig über sie macht und sie verhöhnt. Bei Cartoons hat man mehr Nachsicht und Empathie. Das liegt in der Natur der Satire, denke ich. Ich hoffe, dass ich durch diese kurzen und lustigen Geschichten mehr für Verständnis und Verständigung zwischen den Kulturen und Religionen schaffen kann und Follower aus allen Gesellschaftsschichten erreiche.
IslamiQ: Ist Dir Dein kultureller und/oder religiöser Background wichtig?
Akova: Mein Background spielt natürlich eine große Rolle. Die Geschichten, die ich erzähle, handeln hauptsächlich über meinen kulturellen und religiösen Background. Das ist der Kern der Inhalte. Kulturelle Dialoge und Witze prägen die Cartoons. Jemand der überhaupt keinen religiösen bzw. kulturellen Bezug hat, könnte die Witze nicht verstehen. Es ist wichtig, dass man einen Bezug bzw. Interesse zu diesen Themen hat.
IslamiQ: Wirst oder wurdest Du wegen Deiner Kunst diskriminiert? Wenn ja, von wem und wie?
Akova: Zum Glück nicht, weil ich u. a. nicht mit meiner Person präsent bin. Die Cartoons teile ich nur auf den sozialen Medien und bin somit nicht persönlich angreifbar. Hin und wieder bekomme ich negative Kommentare, sowohl von rechtsradikalen Leuten als auch von religiösen Extremisten. Aber diese Gruppen haben ja gemeinsam, dass sie keinen Sinn für Humor haben und alles sehr persönlich und sehr kleinkariert sehen. Man kann eben nicht mit allen einer Meinung sein. Das wäre auch unrealistisch.
IslamiQ: Ist Deiner Meinung nach die Kunst wirklich frei? Wenn nein, was muss sich ändern?
Akova: Ich denke, ganz frei von äußeren Einflüssen kann die Kunst niemals sein. Es ist aber in Zeiten der Digitalisierung leichter, einen Zugang zur Kunst zu finden. Für einfache Kunstschaffende und Newcomer bieten soziale Plattformen eine Stimme und eine Möglichkeit zu wachsen. Deshalb verlieren auch die großen Medienhäuser immer mehr an Einfluss und versuchen ihre Konzepte und Inhalte diverser zu gestalten. Ich sehe es als Chance, die die Muslime auch nutzen sollten. Es bringt nichts, sich über die Kunst anderer zu beschweren und in einer Opferrolle zu isolieren. Man kann heute mit wenigen Mitteln viel bewirken, mitmischen und eine Alternative schaffen.