Im Untersuchungsausschuss zum Anschlag in Hanau ging es heute um die Einsatztaktik der Polizei am Tatabend. Laut dem Sachverständiger gab es während des Polizeieinsatzes Fehler im Umgang mit den Angehörigen.
Im Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags zum rassistischen Anschlag von Hanau hat ein Sachverständiger für eine unabhängige und transparente Aufarbeitung des Polizeieinsatzes plädiert. Dabei sollte sich die Polizei der Hilfe externer Experten bedienen und auch mit Hinterbliebenen und Überlebenden ins Gespräch kommen, empfahl der Jurist, Kriminologe und Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes am Freitag in einer Anhörung des Gremiums in Wiesbaden. Am Ende könne so eine klare Liste erstellt werden, die benenne, wo Fehler gemacht worden seien und wo nicht. „Das wäre ein Ernstnehmen der Opfer, damit würde auch eine gesellschaftliche Befriedung hergestellt“, sagte Feltes.
Als Sachverständiger wurde er vor dem Ausschuss zur Einsatzlage und -taktik am Tatabend sowie zum Krisenmanagement befragt. Dabei verwies Feltes darauf, dass er keine vollständige Einsicht in Ermittlungs- und weitere Akten gehabt habe, sondern sich im Wesentlichen auf die Pressemitteilungen der Hanauer Staatsanwaltschaft stütze, die Ermittlungsverfahren gegen Polizisten unter anderem wegen des Vorwurfs der unterlassenen Hilfeleistung sowie wegen des am Tatabend überlasteten Hanauer Polizei-Notrufs abgelehnt hatte.
Aus Sicht von Feltes gab es während des Polizeieinsatzes Fehler im Umgang mit Betroffenen und Angehörigen des Anschlags. Hier habe es nach allem, was er über den Anschlag gelesen habe, an Sensibilität gefehlt, sagte der Experte. In solchen Einsatzlagen müsse auch immer vermieden werden, dass weitere Menschen zu Opfern werden, etwa durch das Verhalten der Polizei. So dürften Beamte nicht darauf warten, dass etwa Notfallseelsorger sich um Angehörige kümmern, sondern müssten auch selbst tätig werden. Zudem fehlt es aus Sicht Feltes an einer Fehlerkultur bei der Polizei. Noch immer gelte, es würden keine Fehler gemacht. Hier sei ein offenerer Umgang notwendig und auch die Politik in der Verantwortung.
Hinterbliebene hatten unter anderem kritisiert, dass sie erst nach stundenlangem Warten am Morgen nach der Tat über den Tod ihrer Angehörigen informiert wurden. Deren Namen seien von einer Liste verlesen worden. Auch hatten sie wiederholt beklagt, dass sie ihre toten Angehörigen erst Tage nach der Tat sehen durften. Ein solches Vorgehen sei „weder nachvollziehbar noch entschuldbar“, sagte Feltes.
Ein 43-Jähriger hatte am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Danach tötete er seine Mutter und nahm sich selbst das Leben. Der Untersuchungsausschuss befasst sich vor allem mit der Frage, ob es vor, während und nach der Tat zu einem Behördenversagen kam. (dpa, iQ)