Lockdown, Einschränkungen und keine Gemeinschaft in der Moschee – der Ramadan verlief in den letzten zwei Jahren für viele einsam und abgeschottet. Dieses Jahr erleben Muslime wieder einen Ramadan wie früher.
Nach einer zweijährigen Corona-Pause können Muslime in diesem Ramadan wieder zum gemeinsamen Fastenbrechen in größeren Gruppen zusammenkommen. Für viele Menschen waren die letzten zwei Jahre sehr strapazierend. Sie waren des Öfteren einsam und isoliert. Vor allem für Muslime war der heilige Monat Ramadan in dieser Zeit ungewohnt und herausfordernd. Moscheen waren geschlossen, das Fastenbrechen in der Gemeinde blieb aus und die Zusammenkünfte in den Familien wurde immens eingeschränkt.
In diesem Jahr findet der Ramadan schon zum dritten Mal während Corona statt – nach den letzten beiden Jahren dürfen Muslime aber zum ersten Mal wieder zum gemeinsamen Fastenbrechen in größeren Gruppen zusammenkommen.
Umso mehr war die Vorfreude auf den diesjährigen Ramadan groß, da viele Einschränkungen weggefallen sind und eine Zusammenkunft der Menschen möglich war. Das gemeinsame Gebet in der Moschee, das Fastenbrechen mit den Liebsten und viele Ramadan-Aktivitäten – das sind wichtige Bestandteile in diesem heiligen Monat. Trotzdem gibt es keine unbegrenzte Freude darüber. Viele Muslime wollen wegen der hohen Corona-Inzidenzen auf das gemeinsame Fastenbrechen in großer Runde verzichten und lieber mit wenigen Menschen feiern.
IslamiQ hat mit zwei Muslimen über den diesjährigen Ramadan gesprochen und gefragt, wie sie das Fasten, die Zusammenkünfte und die Corona-Lockerungen erleben.
Iman ist 23 Jahre alt und lebt mit ihrer Familie zusammen in NRW. Für die junge Studentin war der Ramadan in den letzten zwei Jahren besonders einsam, da sie für Ihr Studium nach Berlin zog und den Ramadan dort „allein und ohne Familie und Freunde“ verbringen musste. Die Distanz zur Familie, die Einsamkeit in einer fremden Stadt, mit Menschen, die sie nicht kannte – „all das war sehr strapazierend und trostlos“, erzählt Iman. Dazu sei hinzugekommen, dass sie nur selten ihre Familie besuchen konnte, da Iman’s Vater in der Zeit an einer chronischen Erkrankung litt und er besonders vor dem Virus geschützt werden musste.
Dieses Jahr sei es jedoch anders. „Ich kann wieder meine Familie besuchen und verbringe viel Zeit zu Hause und mit meinen Freunden. Ich merke, wie viele Muslime wieder aufblühen, einander einladen und ausgehen“. Doch trotzdem bleibt für Iman die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus real und präsent. „Meinem Vater geht es gut, und das soll auch so bleiben. Daher versuche ich trotzdem eine gesunde Distanz zu Menschenmenge zu bewahren und nehme nicht jede Einladung an“, so die junge Studentin. Man dürfe nicht vergessen, dass die Pandemie nicht vorbei sei und trotz der ganzen Lockerungen volle Solidarität gefragt wäre. „Ramadan bedeutet, auf sich und die Mitmenschen achtzugeben. Auch wenn der Ramadan in der Gemeinschaft schön und essenziell ist, müssen wir jedoch mit bedacht und Vorsicht handeln“, so Iman abschließend.
Wie duftet eigentlich eine Moschee? Diese Frage hat sich der 38-jährige Furkan selbst noch nie gestellt. Bis er dieses Jahr wieder regelmäßig im Ramadan die Moschee besuchen konnte. „Ich habe mir diese Frage noch nie bewusst gestellt und haben dieses Jahr gemerkt, dass die Moschee duftet – aber nicht nach Füßen!“, scherzt Furkan. So intensiv habe er den Duft von Misk noch nie erlebt. „Es hat sich einfach angefühlt wie früher, hauptsächlich habe ich beim Gebet immer an meine Kindheit, die ich oft in der Moschee verbracht habe, gedacht“. Zwei Jahre habe er die Moschee nur gelegentlich zum Freitagsgebet besucht – „und das auch nur, wenn die Coronaauflagen das erlaubt haben“, erzählt Furkan. Im Ramadan werde aber die Moschee besonders schön geschmückt.
Ab dem 03.04.2022 sind viele Coronaeinschränkungen weggefallen: Die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen, die Abstandsregeln und die Einschränkungen der Zusammenkünfte entfallen. „Trotzdem beten wir in der Moschee mit Maske“, sagt Furkan. Am meisten habe ihm die gemeinsamen Koranrezitationen gefehlt. „Die Gesänge, Gebete und der Austausch unter den Gemeindemitgliedern lässt das typische Ramadan-Gefühl wieder aufkommen“. Ramadan-Gefühl? „Ja, das Gefühl von Zusammenhalt, Akzeptanz, Toleranz und seelische Ruhe“.
In diesem Jahr verhageln vielen Muslimen steigende Lebensmittelpreise die Feierstimmung. Russland und die Ukraine sind für viele arabische Staaten wichtige Lieferanten für Weizen und Sonnenblumenöl. Wegen des Krieges in der Ukraine drohen nun Engpässe. Vielerorts steigen deshalb bereits die Preise. Besonders deutlich spürbar ist dies in Afrika, wo es zuletzt in mehreren Ländern eine hohe Inflation gab. Afrika importiert jedes Jahr landwirtschaftliche Produkte im Wert von etwa 4 Milliarden US-Dollar aus Russland. 90 Prozent davon ist Weizen.
Islamische Religionsgemeinschaften in Deutschland wollen im Ramadan auch für die Opfer von weltweiten Konflikten beten und sich für sie einsetzen. „Wir sind vielleicht nicht in der Lage, die Kriege zu stoppen. Aber wir können uns in diesen schwierigen Zeiten auf die Seite der Opfer stellen – egal wo sie sich befinden und wer die Aggressoren sind. Wir werden auf keinen Fall gleichgültig bleiben“, erklärte IGMG-Generalsekretär Bekir Altaş auf einem Iftar-Empfang.
Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) äußerte auf sozialen Medien tiefe Sorgen über die Verletzung der territorialen Souveränität der Ukraine durch Russland und forderte die russische Seite auf, das Völkerrecht zu achten. „Das Leid der Menschen muss umgehend ein Ende nehmen“, erklärt der KRM in einer Mitteilung auf Twitter. Weiter ruft sie alle Seiten auf, ihre Bemühungen für einen nachhaltigen Frieden zu intensivieren. Die Mitgliedsmoscheen des KRM erklärten sich bereit, im Rahmen der Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine ihren Beitrag zu leisten.