Mehr als 80 Rechtsextremisten stuft die Polizei inzwischen als Gefährder eingestuft. Da eine engmaschige Überwachung sehr viel Personal bindet, war die Fertigstellung eines standardisierten Instruments zur Beurteilung jedes Einzelnen dringend geboten.
Die Polizei hat bundesweit immer mehr rechte Gefährder auf dem Schirm. Auch in der linksextremistischen Szene nimmt die Zahl der Menschen, denen die Sicherheitsbehörden schwere politisch motivierte Straftaten zutraut, weiter zu – wenngleich auf deutlich niedrigerem Niveau. Bei den potenziell gefährlichen Islamisten stellt die Polizei zwar auch in diesem Jahr einen weiteren Rückgang fest, der 2018 begonnen hatte. Sie ist aber mit aktuell 531 islamistischen Gefährdern immer noch hoch, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine vom AfD-Innenpolitiker Martin Hess initiierte Anfrage seiner Fraktion hervorgeht.
Als Gefährder bezeichnet die Polizei Menschen, denen sie schwere politisch motivierte Gewalttaten zutraut – bis hin zu Terroranschlägen. Die Einstufung von Menschen als Gefährder liegt grundsätzlich in der Zuständigkeit der Polizeibehörden der Länder.
Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, weiter ausführt, zählte die Polizei Anfang Juni insgesamt 81 rechtsextremistische Gefährder. Das ist ein Anstieg um rund 17 Prozent im Vergleich zum Juni 2021.
Im November 2011, als die terroristische Neonazi-Vereinigung NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) aufflog, waren lediglich vier Rechtsextremisten als Gefährder eingestuft. Erst nach dem Tod von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos stellte die Polizei damals fest, dass es Neonazis waren, die zwischen 2000 und 2007 in verschiedenen Bundesländern acht aus der Türkei stammende Gewerbetreibende, einen griechischstämmigen Kleinunternehmer und eine Polizistin getötet hatten. Nach den Attentaten war jahrelang in die falsche Richtung ermittelt worden.
Im Juni 2019 erschoss ein Rechtsextremist den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der sich für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen hatte. Damals zählte die Polizei 39 rechte Gefährder.
Im Oktober des gleichen Jahres versuchte ein bewaffneter Attentäter in Halle an einem jüdischen Feiertag vergeblich, in eine Synagoge einzudringen. Als ihm dies nicht gelang, erschoss er eine Passantin und einen Mann in einem Döner-Imbiss. Im Februar 2020 tötete ein Rassist in Hanau neun Menschen mit Migrationsgeschichte, seine Mutter und dann sich selbst.
Beim Verfassungsschutz und bei den Polizeibehörden von Bund und Ländern hat man auf diese Gewalttaten reagiert, teilweise wurden Abteilungen personell verstärkt. „Seit den rechtsterroristischen Verbrechen der vergangenen Jahre wurde der polizeiliche Fokus auf rechte Netzwerke und Internetaktivitäten weiter ausgebaut“, heißt es beim Bundeskriminalamt (BKA). Auch der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Sicherheitsbehörden im Gemeinsamen Extremismus und Terrorismus-Abwehrzentrum sei zuletzt „intensiviert worden“.
Seit dem vergangenen Mai nutzt die Polizei ein neues Instrument, das helfen soll, einzuschätzen, bei welchem rechten Gefährder das Risiko, dass er eine schwere ideologisch motivierte Straftat verübt, besonders hoch ist. Das hilft, wenn entschieden werden muss, welche Extremisten besonders engmaschig überwacht werden müssen, was sehr viel Personal bindet. (dpa/iQ)