Probleme bei der Erreichbarkeit des Notrufs sind auch im Untersuchungsausschuss zum Attentat in Hanau Thema gewesen. Der frühere Polizeipräsident von Südosthessen Roland Ullmann will von Notrufproblemen nichts gewusst haben. Daran gibt es Zweifel. Denen widerspricht Ullmann nun.
Der Hessische Landespolizeipräsident Roland Ullmann bleibt bei seinen im Hanau-Untersuchungsausschuss getätigten Aussagen zum Notrufsystem im Polizeipräsidium Südosthessen. Dass dort ein Notrufüberlauf fehlte, sei gegenüber ihm als damaligem Polizeipräsident nicht thematisiert worden, erklärte er am Dienstag. Damit reagierte Ullmann auf Medienberichte. Der „Hanauer Anzeiger“ hatte am Wochenende berichtet, dass Ullmann in seiner Offenbacher Zeit sowohl als Vizepräsident als auch als Präsident mit dem Thema Notrufe befasst war.
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss hat sich zuletzt unter anderem mit der lückenhaften Erreichbarkeit des Notrufs am Tatabend befasst. Ein 43-jähriger Rechtsextremist hatte am 19. Februar 2020 neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst. Der Untersuchungsausschuss soll klären, ob es vor, während und nach der Tat zu einem Behördenversagen kam.
Der 22-Jährige Vili Viorel Păun hatte den Täter nach den ersten Schüssen in der Hanauer Innenstadt mit seinem Auto verfolgt, um ihn zu stoppen und dabei mehrfach vergeblich den Notruf 110 gewählt. Kurz darauf war er von dem Attentäter in seinem Auto erschossen worden.
Laut Landespolizeipräsidium muss aber zwischen zwei unterschiedlichen technischen Gegebenheiten des polizeilichen Notrufs 110 unterschieden werden. Es gebe einerseits den zentralisierten Notruf und andererseits die davon zu trennende sogenannte „Überlauffunktion“ bei starkem Anrufaufkommen – also die Weiterleitung an andere Zentralen bei gleichzeitig eingehenden Notrufen. Auch wenn diese Weiterleitung am Tage des Anschlags von Hanau im Polizeipräsidium Südosthessen nicht bestanden habe, sei es wichtig, zwischen den beiden technischen Gegebenheiten zu differenzieren, hieß es.
Die Zentralisierung des Notrufs bedeute, dass alle Anrufe unter der Notrufnummer 110 im Zuständigkeitsbereich eines Polizeipräsidiums in derselben Leitstelle ankommen und von dort aus direkt bearbeitet werden. Diese Zentralisierung sei am 19. Februar 2020 in allen anderen Polizeipräsidien in Hessen bereits abgeschlossen gewesen, nicht jedoch im Polizeipräsidium Südosthessen. Die Umstellung sollte nach Angaben Ullmann mit dem Neubau des Präsidiums erfolgen.
„Selbstverständlich war ich in meiner Funktion als Polizeivizepräsident und später als Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Südosthessen über die Tatsache informiert, dass der polizeiliche Notruf 110 in Südosthessen am 19. Februar 2020 noch nicht zentralisiert war“, sagte Ullmann. „Das wurde im Polizeipräsidium erörtert, als andere Polizeipräsidien in Hessen ihre Notrufsysteme zentralisiert haben. In diesem Zusammenhang wurde jedoch mir gegenüber ein fehlender Notrufüberlauf nicht thematisiert.“ (dpa/iQ)