Akademiker widmen sich den wichtigen Fragen unserer Zeit. IslamiQ möchte zeigen, womit sich muslimische Akademiker aktuell beschäftigen. Heute mit Ibrahim Aslandur über die Vermittlung koranischer Leitthemen.
IslamiQ: Können Sie uns kurz etwas zu Ihrer Person und ihrem akademischen Werdegang sagen?
Ibrahim Aslandur: Mein Name ist Ibrahim Talha Aslandur. Ich bin 1992 in Karlsruhe geboren, verheiratet, Vater von zwei wundervollen Töchtern, Islamtheologe und Autor. Nach meinem Abitur im Jahre 2011 habe ich knapp ein Jahr in Kairo, an einer privaten Sprachschule, einen Kurs in „Klassisches Arabisch“ absolviert und anschließend für fünf Jahre in Istanbul an der theologischen Fakultät der Marmara Universität studiert. Bis Mai 2020 war ich im Rahmen meines Masterstudiengangs an der Hamad bin Khalifa Universität in Doha und forschte im Feld der Koranwissenschaften. Derzeit promoviere ich am Zentrum für Islamische Theologie (Eberhard-Karls-Universität Tübingen) im Fachbereich der Koranwissenschaften und Korandidaktik. Seit 2022 habe ich einen Lehrauftrag am Institut für Islamische Theologie/Religionspädagogik. Ebenso studiere ich Politikwissenschaften und Islamische Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.
IslamiQ: Können Sie uns Ihre Dissertation kurz vorstellen?
Aslandur: In meinem Dissertationsvorhaben mit dem Arbeitstitel „Die Vermittlung koranischer Leitthemen als Beitrag zur islamischen Religionslehre. Eine didaktische Synthese zeitgenössischer Verständniszugänge“ gehe ich auf folgende Fragen ein: Hat der Koran eine – ihm eigene – Didaktik? Wenn ja, wie sieht diese aus? Was können klassische und vor allem zeitgenössische koranexegetische Methoden für die Korandidaktik bereitstellen? Wie kann man diese Erkenntnisse in eine ganzheitliche Korandidaktik übersetzen?
Wie man an diesen Forschungsfragen erkennt, umspannt meine Arbeit zwei Fachbereiche der islamischen Theologie – zum einen die Koranwissenschaft und zum anderen die Korandidaktik (als Teilaspekt der Religionspädagogik). Dafür untersuche ich besonders das Offenbarungsgeschehen und seine pädagogische Wirkung. Da ich nicht der erste Koranwissenschaftler bin, der sich der ‚thematischen Auslegung des Korans‘ widmet, liegt meine Aufgabe auch darin, die Thesen namhafter Vertreter:innen dieser koranexegetischen Methode auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen. Dazu analysiere ich ihre Schriften und bewerte, inwiefern sie für die Korandidaktik taugen.
Aus den wiederkehrenden Themen und Diskursen, auf die der Koran in der Zeit der muslimischen Urgemeinde aufmerksam macht, erstelle ich darauf aufbauend einen ‚thematischer Grundriss‘ des Korans. Alle anderen Themenbereiche und Detailfragen, die der Koran erwähnt (oder nicht erwähnt, aber die in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskussion um den Islam Erwähnung finden), werden dieser Struktur zugeordnet, klassifiziert und in ihrem Lichte als gesamtheitliches Konzept erläutert.
IslamiQ: Warum haben Sie dieses Thema ausgewählt? Gibt es ein bestimmtes Schlüsselerlebnis?
Aslandur: Wahrscheinlich liegt das an meiner Biografie. Ich bin seit meiner Jugend im Bereich der islamischen Bildung tätig. In dieser Tätigkeit habe ich nicht nur versucht den Koran zu lernen, sondern auch logisch, nachvollziehbar und lebensnah zu vermitteln.
Mit meinem Promotionsvorhaben habe ich den Anspruch, das erlernte wissenschaftliche Know-how der Koranwissenschaften zum praktischen Nutzen für Muslime in Deutschland zugänglich zu machen. Hierbei sollen sowohl traditionelle und zeitgenössische Methoden der Koranexegese miteinander kombiniert werden, sodass neue Impulse für das Verständnis über die Essenz des Korans entstehen können. Der Fokus liegt im ersten Schritt auf die Einarbeitung der Erkenntnisse aus der Promotion in den Bildungsplan des islamischen Religionsunterrichts, kann jedoch in Zukunft auch auf weitere Bereiche (wie auf den Bereich der Moscheepädagogik) angewandt werden.
IslamiQ: Haben Sie positive/negative Erfahrungen während Ihrer Doktorarbeit gemacht?
Aslandur: Noch habe ich keine negativen Erfahrungen gemacht, Gott sei Dank. Tatsächlich stoße ich auf großes Interesse und Unterstützung seitens meiner Familie, der muslimischen Community und meinen akademischen Betreuer:innen; allen voran von meinem Doktorvater Prof. Dr. Omar Hamdan.
Zu erwähnen ist auch, dass meine Dissertation vom Avicenna Studienwerk gefördert wird. Diese Unterstützungen sind eine große Gnade. Dennoch ist ein solches Vorhaben mit zwei kleinen Kindern, einem dazu parallel-laufenden Vollzeitstudium und Lehraufträgen manchmal anstrengend. Die Kunst besteht in meinem Fall darin, viele Dinge gleichzeitig zu jonglieren, ohne eines fallen zu lassen. Es gibt manchmal Phasen, die an meine Substanz gehen, da die Aufgabenfülle wie eine endlose To-do-Liste erscheint. Doch mit Beharrlichkeit, Regelmäßigkeit und Ausdauer sind auch diese zu bewältigen.
IslamiQ: Inwieweit wird Ihre Doktorarbeit der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland nützlich sein?
Aslandur: Ich hoffe, dass meine Erkenntnisse zunächst der Erstellung eines korandidaktischen Modells münden, welche dann Lehrer:innen des Fachs der Islamische Religionslehre nutzen können. Wahrscheinlich wird das Ergebnis meiner Forschung gleichzeitig eine Methode zur hermeneutischen Erschließung der koranischen Botschaft darbieten, die nicht nur für Islamlehrer:innen spannend sein dürfte. Zugegeben, klingt das etwas vage. Das ist aber auch bewusst so formuliert, da ich noch im Schaffensprozess bin und nach erst nach meiner Verteidigung und Publikation meiner Forschung die konkreten Ergebnisse teilen möchte. Dafür wird es wahrscheinlich eine Vortrags- und Seminarreihe in verschiedenen Städten geben.
Das Interview führte Muhammed Suiçmez.